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14.03.2008


    
Teil 2: Bestandsaufnahme: Was wir heute vom und zum UFO-Phantom wirklich wissen!

Ein Wort vor Ostern: Ist der ´Fliegende Untertassen-Mythos´ 2008 soetwas wie eine ´Wertstoffsammlung´ oder nur Plunder?

Aufgrund seines vorausgegangenen Buches, >Illuminati<, ist ja die Gangart schon deutlich, wo es z.B. um die NSA oder dem NRO "und den verborgenen Korridoren der Regierungsmacht" geht. Also all das, was auch in weiten Teilen der UFOlogie seit etlichen Jahren Thema ist und daher wird auch das Buch sowie der Film dort auf Lust-Jünger der Verschwörung treffen - genauso wie die "9/11"-´Verschwörung´ hier ein engagiertes Publikum fand. Brown selbst aber gesteht ein, dass sein Buch einfach nur ein Roman ist und damit ein "fiktives Werk". Die realen Elemente (Kunstwerke und Architektur, Dokumente und Rituale) darin werden "von fiktiven Charakteren interpretiert" (genauso wie es Mulder und Scully taten). Und was jene denken, wird der Interpretation des Konsumten von Buch und Film überlassen. Das Ganze ist da wie dort "eine unterhaltsame Geschichte" (war "Akte X" auch), aber sie soll auch "spirituelle Diskussionen und Debatten fördern" (hat "Akte X" und >Geheimgesellschaften< wahrhaft auch erreicht, doch die Frage ist - WIE? und WELCHE Folgen hatte es? Die Folgen sind bekannt!). Brown sieht derartige Debatten dann als "eine entschiedene positive, mächtige Kraft" an. Er umschreibt dies als Diskussion zur "historischen Genauigkeit", was ja auch die Nazi-Flugscheiben-Fans für sich beanspruchen. Brown selbst fördert dies mit der "sehr viel tiefergehenden Frage":

"Wie historisch akkurat ist die Geschichte eigentlich?" Gleichsam hat er es aber davon "die großen Geheimnisse des Lebens zu entschlüsseln" und dass "jeder einzelne von uns seinem eigenen Weg zur Erleuchtung folgt". Macht auch jeder UFO-Esoteriker etc. intensiv und entlässt dann die Ergebnisse dieser ´Erleuchtung´ gerne in eine aufnahmebereite Gemeinde. Brown hat keinerlei Angst davor, dass sein Thriller-Roman irgendwelche Auswirkungen haben wird: "Ich könnte mir keinen Grund dafür vorstellen." Andererseits hofft er doch blauäugig, dass sein Buch dem Leser die Tür öffnen möge, "um mit eigenen Nachforschungen anzufangen, und das Interesse an Themen des Glaubens neu entfachen". Mir selbst soll es Recht sein, wenn man in der normalen Kirchengemeinde genau dies tut! Aber der Nebeneffekt in der verkorksten Mysterie-Verschwörungswelt wird genauso gewaltig sein, allein schon weil die Medien da gewaltig mitheizten, weil im Umfeld von 40 Millionen verkauften Büchern noch ein paar ´Krümel´ abfallen sollen (so brachte Pro7 als ehemaliger Mystery-Sender gleich eine ganze Themenwoche zum Filmstart von ´Sakrileg´!). Und: Hoffentlich täusche ich mich mit dieser Vermutung. Nebenbei: Brown hat den selben Dreh gefunden wie damals Carter - beide geben sich ja als "Skeptiker" zu dem aus was sie selbst höchst-erfolgreich zu Verkaufen verstehen/verstanden. Carter stellte Naturwissenschaften in Frage, Brown die Bibel. Brown himself, um den Frustrierten aus diversen Para- oder Grenzwissenschaftensthemen neue Hoffnungen zu machen: "Ich erkenne absolut keine Wahrheit in den Geschichten über außerirdische Besucher, Kornkreise, das Bermuda-Dreieck oder viele andere ?Geheimnisse", die unsere Pop-Kultur durchdringen. Das Geheimnis hinter SAKRILEG war jedoch zu gut dokumentiert und zu bedeutsam, um es zu ignorieren." (Basierend auf http://www.wissen.de/wde/generator/... )

Sinn und Zweck von Verschwörungs-Thesen in diesem Umfeld ist es eigentlich: Zu Fabulieren bis es nur so kracht - um die Jagd nach Geist-Phantomen zu eröffnen und Themen mit kreativen Einfällen spannender zu gestalten. Der Reiz dabei ist, das es dies - was eben die Verschwörung und Konspiration, die Vertuschung und Geheimhaltung beinhaltet - alles ja wirklich geben soll, und das die Geheimnisse nach wie vor geschützt werden sollen. Der Leser wird eingeladen davon exklusiv zu erfahren und bekäme Geheimwissen vermittelt. Wer dies raffiniert aufbereitet und als Grundfragen "sowie Fundamente der Menschheit, die bei ihrem Bekanntwerden einzustürzen drohen" verkauft, erzeugt künstliche Magnete die ein Eigenleben entwickeln - siehe Roswell. Ich mag ja auch ein paar solcher Verschwörungstheorien als Plot von Krimi- und Thriller-Filmen. Ist ja klar. Was wäre meine Lieblings-TV-Serie "24" ohne solche Komplottanreihungen, die ´Jack Bauer´ jeweils einen schweren langen Tag bereiten? Dort wimmelt es geradezu von Konspirationen. Sie sind gut erfunden, aber auch eben nur erfunden um eine Story vorenzutreiben bzw zu entwickeln und ihr mehr Power zu geben. Da Vinci & Co: Verschwörungstheorien sind Sprengstoff der ungeahnten Art weil sie das Potenzial mit sich bringen die Menschen zu verunsichern und zweifels zu lassen - an allem zweifeln zu lassen, auch was Werte ausmacht und dies ist in Zeiten des Werteverlustes (und wer weiß, vielleicht wurde dieser Werteverlust bereits schon durch "Verschwörungs-Wahnideen" gefördert?) und zunehmenden öffentlichen Irritation über den ´Weg wo es lang geht´ sowie allgemeiner Desorientierung in der Welt sogar ganz verderblich wie ich finde. Aber sie befördern das Wertvollste was wir haben: die Fantasie. Irgendwie erinnert mich dies an den großen Alexandre Dumas, der ordentlich geschriebene Abenteuergeschichten ablieferte und der auf den Vorwurf, er habe die historische Geschichte dabei vergewaltigt, entgegnete: "Vielleicht, aber ich habe ihr doch so schöne Kinder geschenkt." Tja, was sagt man dazu?

Zur Psychologie des modernen Aberglaubens hinsichtlich legendären Konspirations-Erfolgsideen noch ein paar Sätze. Was mit Brown freigesetzt wurde, ist ein bizarres gesellschaftliches Phänomen in der globalen Kultur - und auch durch die Medien betrieben. Das Buch und der Film sind ein eindeutiges MEDIENPHÄNOMEN. Da muss man noch nicht einmal tief durchatmen um dies zu verstehen. Der Roman ist in einem Medium erschienen - das Buch. Wie werden Bücher bekannt und zum Erfolg? Indem Zeitungen, das Radio, das Fernsehen oder Quellen im Internet sie besprechen. Alles Medien. Darauf steigen die Menschen ein und der Megaerfolg führte zur Visualisierung des Romans als Kinofilm, das mächtigste Medium wegen seiner speziell inszenierten Bilder- und Aussagewelt betreffs Nachthaltigkeit von Eindrücken überhaupt. (1) Gleichsam natürlich und parallel einher die Vermarktungskette des Films schon im Vorfeld durch alle anderen Medien um die Öffentlichkeit anzusprechen. Perfekt! Inhalt ist das Sakrileg für die Kath. Kirche (Rom, Vatikan) überhaupt - indem fundamentale Glaubensgrundsätze heftig in Frage gestellt werden. Die gabs zwar schon ´immer´, aber nie in diesem globalen und dauerhaften Ausmaß mit der Frage: Hat die Bibel Recht? Wenn man es ganz genau nimmt, ist damit der christliche Glaube mindestens genaus erschüttert worden wie kurz vorher diverse Karikaturen über den islamischen Propheten, der hier als Terrorist vorgestellt wurde. Schlimm, ja - dieses Sakrileg. Aber die Basis des vom Vatikan verkündeten Christenglaubens als LÜGE wie bei Brown vorzustellen ist eigentlich mindestens auf der selben Ebene zu sehen. Während im Islam für kurze Zeit die Karikaturen wie Dynamit wirkten - was geschah in der westlichen Welt? Gut, die Kirche regte sich auf - aber der Kulturkreis reagierte ganz anders und stürzte sich wie verrückt auf dieses Sakrileg und machte es zum "Kult". Da wurden keine Kirchen gestürmt, da flogen keine Brandbomben, da wurden keine Gläubigen verletzt oder gar ermordet weil der Mob losbrach. Ist doch wahr!

(1) = Die Wiederkehr der Götter in neuen Kleidern, es gibt eine globale Renaissance der ´Religion´ mit neuen Federn sowie eigener charismatischer Liturgie - und an die muss man sich erst einmal gewöhnen. Und weil gerade die Katholische Kirche sich der Macht der Bilder wie keine zweite Kirche durch ihre eigene Ikonographie bewusst ist, wehrte sie sich gegen die Verfilmung des Buches. Zugleich ist der Film ein gutes Beispiel für jenen neuen Mystizismus, der derzeit im Westen grassiert: Einer Suche nach Spiritualität, die sich auf New Age, Esoterik und neue Religionen mehr richtet als auf die alten, angestaubten Angebote. Zugleich belegt dies, dass nach dem Ende des 20.Jahrhunderts das Heilige endgültig zum Kommerz und das Spirituelle zum Erfüllungsgehilfen profaner Wünsche heruntergestuft wurde. So jedenfalls sah es Rüdiger Suchsland am 18.5.06 in einem Telepolis-Artikel ( http://www.telepolis.de/r4/artikel/... ).

Moderne Märchen ziehen im Westen, es ist en vogue. Und sie entwickeln eigene Dynamiken. Nur: WARUM eigentlich? Da gilt es einmal in die angebliche "Wissens-Gesellschaft" genauer hineinzublicken. Genau die - siehe PISA - ist ja scheinbar nur ein Wunschtraum von Herren in Nadelstreifen und guten Bezügen. Wir haben eben keine breit-gefächerte "Wissens-Gesellschaft", sonst wären ja all die massenwirksamen Konspirations-Ideen der letzten 10 -15 Jahre gar nicht erst entstanden und hätte nicht jene erschreckend große Gefolgschaft erfahren! Die fantastischen Verschwörungen haben jeweils zu unterschiedlich großen öffentlichen Aufregungen - jeweils medial ´begleitet´ - geführt. Brown steht damit als Nutznießer am Ende, bisher. Mit dem Wort vom "modernen Aberglauben" kommt man dem gesellschaftlich-kulturellen Phänomen hier wohl näher - ist aber wohl noch nicht wirklich eingefasst. Die Geschichte ist komplexer. Einfach auch wegen der politischen Komponente, die ja ganz klar auftritt. Es geht längst nicht mehr nur um Esoterik-Freaks und sonstige abseitigen/jenseitigen Abgedrehte, die eine Tüte mit spezieller Füllung an den Lippen haben. Hier manifestiert sich auch ´politische Verdrossenheit´ auf breiter Ebene, was eindeutig in diesem Ausmaß eine drastische Begleitmusik darstellt und nicht einfach als "Handkäse mit Musik" zur Seite gewischt werden kann, um dies in der Bedeutung zu reduzieren. Dies wäre ein Wegschieben des eigentlichen Problems, was sicherlich für die Welt als solche neu ist. Natürlich darüber kann man lächeln - aber darf man das wirklich bei dem Versuch der Verniedlichung und ist diese dann überhaupt ein verantwortliches Handeln in Bezug auf dieses neue Lage?

"Zu glauben ist schwierig, nicht zu glauben aber unmöglich ..."

Patchwork-Spiritualität und die unüberschaubare sowie nicht gleich erkennbare neue religiöse "Unübersichtlichkeit" in einer verworrenen Suchbewegung nach dem Mehr. Mehr als das Diesseitige, als das Alltägliche, und mehr als das Materielle soll es geben. Soziologen entdecken die ?Sehnsucht" als neue Grundbefindlichkeit, auch wenn die Suche sich zunächst scheinbar im Gegensätzlichen zu verlieren scheint. Die rationale entzauberte Welt braucht ein spirituelles Gegengewicht. Dessen Konturen sind noch vage. Typisch ist eine gewisse Zurückhaltung: weder ein vollmundiges Ja zu Religion und Glaube, noch ein klar distanzierendes Nein. Das Religiöse meldet sich (heimlich) zurück im Konjunktiv, dazu zählt die Hinterfragung wie im Fall "Da Vinci Code", wo sich doch Millionen wie nie zuvor mit den Lehren der Katholischen Kirche beschäftigen! Über das neue Interesse an Religion müssten sich die Kirchen eigentlich als erste freuen! Doch sie haben dies noch gar nicht erkannt, weil sie sich eher fast "geschändet" fühlen. Der religiöse Neuaufbruch als modernes Zeichen der Zeiten geht an der Kirche vorbei und hat inzwischen seine eigenen Märkte und Gesetzlichkeiten gefunden, die die "Kirche" erst noch erlernen und verstehen muss. "Religion" findet auf dem ´spirituellen´ Buchmarkt unter den unterschiedlichsten Begriffen statt, rein nur die kirchlich-belächelte (sowie verschlafene {im Sinne von Reaktion darauf}) Esoterik darunter abzulegen reicht nicht aus. Spiritualität ist mehr als ?metaphysische Wellness" im Sonderangebot. Heute erlebt das Wort ?Glaube" eine Renaissance in wie wohl selten zuvor gesehenen Verkleidungen und Variablen. Notfalls sogar in vordergründig "wissenschaftlich" eingepackten Themen, die auf puren Glauben basieren. Auch das Glauben an die PSI- oder UFO-Wunder ist schließlich nichts weiter als eine "neue Religion". Die kirchenfreie Spiritualität also, auch wenn auf "Wunder" dort nicht verzichtet werden kann, weil sonst "entleert". Ersatz für den traditionellen religiösen Glauben, modernisiert also. Die Kirche braucht so also eine Art spirituelle "Runderneuerung". Genauso wie die UFOlogie die UFO-Erforschung in Wirklichkeit in Fesseln legt nur um die gute Stimmung im Station zu erhalten, was aber den Traum vom Finale nie erfüllen wird, so unternehmungslustig man auch in der Verbandsliga sein mag und einiges auf der Reservebank hält um weiterhin den Candy Shop frequentieren zu können, wo man so leicht um den Finger wegen all der verführerischen Naschereien gewickelt wird.

Was ist mit unserer Welt heute los, die einen besonderen exotischen, spirituellen und neumodischen Aufbruch erlebt? In dieser taucht ja dieses sozio-kulturelle Pop-Phänomen der "Wirklichkeits"-Vertuschungs-Hysterie auf. Schon die Karikaturen des islamischen Propheten sorgten für Wut in der islamischen Welt und wurde da und dort als durchgebrochener Ausdruck eines geheimen Glaubenskriegs und vom Westen angezettelt angesehen und mit Verschwörungs-Theorien instrumentalisiert. Seltsamer Weise kommt dies alles mit der Globalisierung auf - und den damit vorhandenen Auswirkungen am Arbeitsmarkt und der Lebensqualität der Menschen. Paradiese für die Menschheit präsentieren sich weder global noch auf europäischer Ebene in der EU. Für ein paar Manager (Stichwort: Heuschrecken-Diskussion) schon, aber die lassen sich lieber in Forbes und den jährlichen Superreichen-Statistiken der Welt feiern als bei Gewerkschaften - und die Politik schaut überall gerne weg. Zurück bleiben schlichtweg die Menschen als ohnmächtige Verlierer vor diesen modernen ökonomischen Zeiten. Und zwar so, als wenn sich ´die Welt´ gegen sie verschworen habe und sie verraten und verkauft sind. Das ist das Gefühl dazu. Da entwickelt sich Frust und Wut gegenüber dem System. Und die Vorstellung, dass dieses irgendwie weg muss, weil es falsch läuft. (1) Zudem will man es gerne den Oberen und ihren festgefügten Strukturen zeigen. Dadurch entsteht ja die Welt so wie sie ist. Alle Verschwörungs-Ideen - denen die Menschen massenhaft nachlaufen - sind genau dagegen gerichtet, gegen die Welt und gegen die Weltgeschichte so wie sie ist! Stimmt doch - und so einfach ist es. Die Weltverschwörungs-Theoretiker spucken ja genau in diesen Topf namens "So ist halt eben die Welt und ihr müsst euch fügen!" und stellen das Establishment mit seiner "Wahrheit" in Frage. Sie sprengen so Fesseln - und zwar nicht wirklich im Versuch wissenschaftliche Erkenntnise neu zu hinterfragen und wissenschaftliche Diskussionen anzuregen, sondern hauptsächlich um den indirekten Aufwand zu üben. Darum geht es, den Mächtigen ans Knie zu treten mit ihrer Alternative. In einer Welt von Politik und Wirtschaft wo es keine wirklichen Alternativen zu dem gibt wie es dort läuft und uns alle einkassiert. Da können Globalisierungsgegner Krach schlagen bei jedem Treffen der G8-Staaten wie sie wollen. Was aber alleine schon der Ausdruck einer vorherrschenden Stimmung ist, siehe oben. Eine Alternative zum "Sein" dagegen ist das, was die Konspirationen beinhalten. Und dieser Geist breitet sich seit Jahren immer mehr aus, schauen Sie sich nur die Kataloge der Nischenbuchverlage an. Roswell, 9/11 und früher das JFK-Attentat sind die Vorläufer für "Sakrileg" und waren nie so intensiv angesetzt. Da hat sich aber wahrhaft ein Spannungsbogen aus unterschwelligen ´Energiereservaten´ aufgebaut und entlädt sich nun nach Büchern wie "Gefälschte Wissenschaft", "Rätsel der Archäologie", "Jäger verlorenen Wissens", "Das Sakrileg und die Heiligen Frauen" oder "Jenseits des Vorstellbaren" etc pp. Und nennt sich die AAS-Zeitschrift inzwischen nicht schon längst "Sagenhafte Zeiten" {sic!}, um Argumente für das Unmögliche vorzutragen? Was man nun ebenso sieht: Das Festhalten an alten Mustern geht längst verloren, genauso wie an den alten Werten. Ich denke, darauf muss eine Antwort gefunden und nicht darüber hinweggesehen werden. Die Gesellschaft und Kultur hat hier ein wichtiges Problem für sich und lebt schon mitten drin. Hier findet eine besondere Art von Rock ´n´ Roll im Kopf statt - und zwar nicht von Minderheiten. Was die neue Qualität ausmacht und wo man als Verantwortlicher genauer hinzuschauen hat. Allein schon die normalen gesellschaftlichen Veränderungen bereiten der Politik überall Probleme und sie kann nur sehr mühsam darauf reagieren, weil die jeweiligen Probleme wegen der Weltabgeschiedenheit der politischen Menschen nicht erlebt - und damit nicht erkannt bzw verstanden werden.

(1) = Bis vor kurzem galt eine Lehre: Leute gehen auch in die Kirche, weil sie arm sind. All diejenigen, denen der Staat keine Lösung für ihre Probleme bietet, kehren zu Gott zurück in ihrem Glauben: Gott hilf mir, segne mich. Auch unter den Pfingstlern entstehen viele Wohlstandskirchen. Denn jeder sucht ja Wohlstand. Man kehrt zu Gott zurück, weil die Verhältnisse die Bedürfnisse nicht befriedigen können. Armut bringt Menschen zu Gott, Furcht vor dem Unbekannten bringt Menschen zu Gott. Im Grunde gilt dies nach wie vor, nur der "Gott" schaut anders aus und die jeweilige Glaubens-Überzeugungs-"Kirche" hat einen anderen Namen. Jeder Glaube füllt ein zumindest kulturelles Vakuum. So gesehen ist irgendwie Religion unter neuem Mantel wieder "in". Auch die "Sakrileg"-´Religion´ zählt dazu. Ist nur ein modernes Ausdrucksmittel hierfür, um ´progressiv´ zu wirken. Diese Art der Wiederkehr der speziellen "Götter" in anderen Bildern ist eine globale Erscheinung - und auch eine Reaktion auf die Globalisierung. Gerade Globalisierung hat zur Krisenanfälligkeit enorm beigetragen, es trägt bei zur Migration, es trägt bei zum Auflösen von Familienstrukturen, von Freundschaftsstrukturen, es trägt bei zu sozialem Abstieg, auch Aufstieg - in all diesen dramatischen Wandlungsprozessen unserer Zeit ist natürlich ein Halt sowohl im Sinne von Sinngebung als auch im sozialen Bereich vonnöten. Das ist nicht notwendigerweise gleich als solche traditionell erkennbare bzw definierte Religion, aber historisch und aktuell ist es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die "Religion" um was auch immer, die das dann bewältigen hilft. Es geht darum, jedwede "Religion" wieder als einen identitätsstiftenden Faktor, auch einen Faktor, der für Werte und Normen und Orientierungen sorgt, wahrzunehmen und ernst zu nehmen - aber auch diese modernen religiösen Äußerungen und Ausprägungen so zu erkennen.

"Condition Postmoderne" - ein Schwanken zwischen Perspektivlosigkeit und Resignation. Nebensächliches drängt sich in den Mittelpunkt. Die frustrierten und enttäuschten Menschen suchen nach neuen bewusst vagen und vieldeutigen "Sinngebungen" in der offenen liberalen Massengesellschaft - wenn auch natürlich nur im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten, aber unter einem ständigem Trainieren der Eigenimmunisierung gegenüber Rationalität, weil die zum Transzendentalen sowieso nicht passt. Sinnsuche in einer "gott- und prophetenlosen Zeit". Schnitt hin zur bitteren Tageswirklichkeit. Sinkende Wahlbeteilungen sind da meines Erachtens nach ebenso ein warnender Ausdruck. Eliten, die nur an Börsenwerte denken und die sich selbst als "Leistungsträger" feiern lassen, verlieren den Bezug zum Volk und seinen Problemen. Sicher, die Welt ist immer komplizierter geworden, aber viele Menschen verstehen sie nicht mehr. Das hört man zwar in jeder zweiten politischen Talkshow von einem Politstar seit Jahren vorgebracht, aber niemand der dies im TV und fein geschminkt erkennt, macht dann danach praktisch etwas dagegen. Und wer versteht schon wenn in angeblich schwierigen wirtschaftlichen Zeiten bei einigen Konzernen die Managergehälter mächtig anschwellen, während gleichsam Personal entlassen wird und die Börsenkurse wie gänzende UFOs am Himmel umherschwirren - und manche Manager das 2000-fache im Jahr verdienen wie ein Malocher in der selben Firma, der eigentich durch seine Arbeit der tatsächliche Leistungsträger ist. Dafür hat niemand mehr Verständnis. Dies sind alles schwere Frustfaktoren im großen Spiel der Welt. Und genau deswegen klappen die Wirklichkeitsfluchten durch ihre Neudefinition der Welt mittels dem Sog der Vertuschungs-Ideen, als der "Bankraub des kleinen Mannes". Man kann es auch moderner und klarer mit einem Anpissen des Establishments bezeichnen. Nicht umsonst kam "Akte X" gerade so global an, als die Zeiten düsterer wurden. Und in der Farbenlehre der Aliens kann man dann auch die "Grauen" herbeiführen, die mit undurchsichtigen Aktivitäten eigentlich nur die grauen undurchsichtigen Weltereignisse symbolisieren. Aus diesem Gesamtbild ergibt sich natürlich der Erfolg von Vertuschungs-Thesen über die ´wahre Wirklichkeit´ von Fantasten, denen die Menschen nachlaufen. In der Erwartung "etwas zu verändern", ohne eine Garantie zu haben, dass dies geschieht - und vor allem eigentlich WAS. Und so ist man eigentlich schnell dabei, mal über die Psychologie der Verschwörungs-Begeisterten nachzudenken und WARUM sie sich eigentlich dafür erwärmen können.

In den GWUP-Foren fragte ich deswegen mal Mitte Mai 06 nach und erhielt diverse Antworten wie: "Als regelmäßiger Lurker und auch mal Mitdiskutant bei de.sci.geschichte auf Google habe ich nicht nur mit braunem Gesindel zu tun, sondern gerade auch mit Illig-Anhängern, die also der Glaubenslehre des Heribert Illig folgen, wonach die Zeit zwischen 614 und 911 weltweit nachträglich hineingefälscht worden sei. Interessant ist, dass es einzelne wenige Illigisten sind, die aber so ziemlich jeden Thread umzubiegen verstehen. Abgesehen von einem veritablen Priv.-Doz. aus Würzburg besteht das Grüppchen anscheinend aus vom Leben frustrierten und stark verunsicherten Menschen, die halt vermuten, dass etwas auf und mit der Welt nicht stimmt. Was mir bei diesen Leuten auffällt, ist ein radikales, ja schon pathologisches Mißtrauen gegen alles, was auch nur im Ansatz ´amtlich´ oder ´etabliert´ ist. Historiker an Universitäten sind ´Sesselpuper und Karrieristen´ und ´beamtete Kuhhautsortierer´, denen man nicht trauen kann und deren Ergebnisse sowieso nicht interessieren. C14 und Dendrochronologie werden mit solidem Achtelwissen beiseitegewischt, Archäologen fallen eh immer auf die pergamentenen Vorgaben der Historiker herein, und Linguistik findet gar nicht statt, weil wir ja aus der damaligen Zeit keine Tonaufnahmen haben und folglich nicht wissen können, wie im 9. Jahrhundert gesprochen wurde. Rekonstruktionen gelten grundsätzlich nicht, und wenn wirklich mal ein Argument nicht ´widerlegt´ werden kann, dann wird sofort ad personam beleidigt, und zwar auf unterstem Niveau. Einer dieser Illigisten, der angeblich alle Lexika der Welt besitzt, glaubt auch an die Echtheit des Turiner Grabtuchs, hält die Mondlandung natürlich für einen Schwindel, sieht die Behauptung von Heinsohn/Steiger, dass Hexenverfolgung gezielte Ausrottung der Hebammen zur Geburtensteigerung war, als den einzig gültigen Erklärungsansatz an und ist vom Katastrophismus felsenfest überzeugt (´meersalzende Kometen´). Das dürfte ein (ein!) Erklärungsansatz sein: krankhaftes Mißtrauen gegen ´amtliche Erklärungen´, gegenüber Fachleuten, gegenüber Wissenschaften, die nun einmal mit ihrer jeweils eigenen Methodik und Fachterminologie den Dingen auf den Grund zu gehen versuchen. Das muß ja geradezu ein Geheimbund sein, der die Dinge so hinbiegt, wie sie gerade gebraucht werden. Mißtrauen und Größenwahn - das sind in diesem Falle die Zutaten, die auf den Pfad hin zu Verschwörungstheorien führen."

"Verschwörungstheorien machen die Welt übersichtlich. Die Realität ist doch öde... Krimi, Horror & Fantasy und kreuze sie. Das garantiert Erfolg." - "Eine VT vereinfacht die komplexe Wirklichkeit und führt viele verschiedene Phänomene auf eine Ursache zurück. Ein VTler muss sich also nicht mit soziologischen/historische/sonstigen Analysen auseinandersetzen. Als VT-Anhänger hast Du das Vergnügen, ständig neue Hinweise zu finden, die Deine Auffassung bestätigen. VTler gehören zu den ´Wissenden´ - sie haben Erklärungen, wo andere nur fassungslos den Kopf schütteln. Damit kann man locker eine Stehparty bestreiten. Sie haben meist Quellen, die ihnen eine äußerst brisante Mischung aus Fakten und Fiktionen liefern. Das heißt, sie finden ihr Weltbild immer wieder bestätigt und bekommen das Gefühl, sich ´gut auszukennen´. Und bekanntermaßen ist Halbwissen gefährlicher als Nichtwissen." - "Ja, sehe ich auch so. Aufwertung der eigenen Person gegenüber ´Unwissenden´ durch Erlangung angeblich geheimer Information. Gemeinschaftsgefühl durch Austausch solcher Informationen in gleichgesinnten Gruppen wie z.B. Internetforen etc. Verarbeitung eines diffusen ´Ohnmachtsgefühls´ gegenüber höhergestellten Personen (die ´Regierung´). Versuch der Diffamierung von Personengruppen (z.B. Juden)."

Doch die Dimensionen sind weiter zu fassen, als man allgemein denken mag! So machte mich ein GWUPler am 26.Mai 06 auf eine Quelle aufmerksam, die eigentlich völlig unverdächtig zu den vorgetragenen Themen ist und schlußendlich die gesellschaftliche Dimension und Tiefe enthüllt: Das http://www.vogelforum.de ! Eben, jenes der Vogelfreunde! Selbst dort gab es eine vielbeachtete und vielbegleitete Debatte zu ´Sakrileg´ als ein Nutzer als Themenstarter fragte, was in dem Buch der Wahrheit entspricht und was erfunden ist: "Ich kann es nicht auseinander halten." Die Reaktionen darauf: "Das Buch ist spitze." - "Meine Mama liest das Buch gerade und schwört darauf das das alles stimmt." - "Ich werde das Buch als nächstes lesen. Mein vorletztes Werk war ´Illuminati´, und das fand ich schon recht gut." - "wer sich für das thema geheimgesellschaften und verschwörungen interessiert sei mit dem autor ´jan van helsing´ gut beraten. sein buch ´hände weg von diesem buch´ ist ein sehr gut geschriebenes buch." - "jan van helsing versteht es, fiktion und wirklichkeit auf eine art und weise zu vermischen, das man als "unwissender", mit der materie nicht vertrauter leser sofort darauf reinfällt. seine bücher sind zweifellos zum großteil als fiktiv anzusehen, vollgestopft mit halbwahrheiten und mutmaßungen. trotzdem sind sie sehr amüsant zu lesen." - "Yepp, ein nicht ernst zu nehmender Spinner."

Erwähnung soll deswegen auch eine Meldung finden, die am 24.Mai 06 bei ´Wissenschaft aktuell´ auflief und von der Universität von Leicester/England kam: "Harte Schule des Lebens macht leichtgläubig". Daraus entnehme ich für Sie: >Es gibt Menschen, mit denen das Leben es nicht gut meint. ... Obwohl man annehmen könnte, dass ihr Schicksal sie im Laufe des Lebens vielleicht hart und misstrauisch gegenüber anderen gemacht hat, ist meist das Gegenteil der Fall. Wie ein britisches Forscherteam herausgefunden hat, sind Menschen, die durch die harte Schule des Lebens gegangen sind, oft besonders leichtgläubig. Wer dagegen eine behütete Kindheit hatte und als Erwachsener sich in sicheren Bahnen bewegt, ist oft sehr viel kritischer oder auch misstrauischer. Den Grund sehen die Forscher der University of Leicester darin, dass vom Leben gebeutelte Menschen ihrem eigenen Urteil oft nicht mehr sehr trauen. Darum können andere ihnen oft ein X für ein U vormachen. "Menschen, die ihre Kindheit und Jugend unter widrigen Umständen verbracht haben, glauben mit größerer Wahrscheinlichkeit Informationen, die nicht wahr sind", erklärt Kim Drake von der University of Leicester, Hauptautorin der Studie. "Sie sind leichter zu beeinflussen und können leicht irregeleitet werden." Die Forscher haben 60 Personen auf ihre Leichtgläubigkeit untersucht und dabei ihre Lebensvorgeschichte einbezogen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der unterschiedlichen Grade von Leichtgläubigkeit oder Skepsis sich darauf zurückführen lassen, wie viele negative Erlebnisse in welcher Intensität die Versuchsteilnehmer in ihrem Leben erlebt haben. Menschen mit vielen oder intensiven negativen Erfahrungen "haben gelernt, ihren Handlungen, Urteilen und Entscheidungen zu misstrauen, weil diese Aktionen oft negative Konsequenzen nach sich gezogen haben."< Nun, wer sich dabei wie im Spiegel sah, der mag die Hand heben...

Externe Links

http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/unterhaltung/film/VCL_Sakrileg/index...
http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22691/1.html
http://www.vogelforum.de

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