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04.07.2007


    
2007, Roswell in den News: Nicht von dieser Welt

Berliner Zeitung: Im amerikanischen Roswell soll 1947 ein Ufo abgestürzt sein. Die Geschichte beflügelt bis heute Kommerz und Konspirationstheorien in der Kleinstadt

Zum Einstieg erst einmal dieser Clip: http://www.youtube.com/watch?v=kjBn...

Im amerikanischen Roswell soll 1947 ein Ufo abgestürzt sein. Die Geschichte beflügelt bis heute Kommerz und Konspirationstheorien in der Kleinstadt

von Eva C. Schweitzer

ROSWELL. Die Hauptstraße der kleinen Stadt in New Mexico sieht so aus, als habe sich ein Kulissenbauer aus Hollywood endlich einmal richtig austoben dürfen. In Roswell stehen Außerirdische aus grünem Plastik auf den Bürgersteigen, stecken grausilberne Ufos in Hauswänden. Es gibt Schilder, die Erdlinge willkommen heißen und Laternen, die Alien-Köpfen nachgebildet sind. Man sieht grüne Fußabdrücke, die zu "Signs of Life" führen, einem von vielen Geschäfte, in denen Wesen mit nasenlosen Gesichtern in den Schaufenster stehen. "Signs of Life" gehört Sharon, einer Mittvierzigerin mit Zahnlücken, die Alien-Socken und Ufo-Schneekugeln, Alien-Ohrringe und Ufo-Spielkarten verkauft. Sharon klebt gerade glitzernde Sternchen auf Schwarzlichtfolie, fürs Schaufenster. "Die Handelskammer hat fünfhundert Dollar für die schönste Dekoration ausgelobt", sagt sie. Denn Roswell bereitet sich auf den großen Tag vor. Auf das Jubiläum.

Am 4. Juli vor sechzig Jahren ist bei Roswell ein Ufo abgestürzt. Das glauben zumindest viele Menschen auf der ganzen Welt. Und das macht Roswell zur Legende. Es gibt darüber Filme, Bücher, Romane, sogar eine ganze Fernsehserie. Die Legende geht so: Die U.S.-Air Force hat 1947 eine fliegende Untertasse geborgen, auch die Besatzung, die Außerirdischen, die vielleicht tot, vielleicht lebendig waren. Das Ufo wird bis heute auf der geheimen Militärbasis Area 51 in Nevada versteckt. Und das Militär versucht seitdem, den unglaublichen Fund zu vertuschen. Zwar hat die Luftwaffe Mitte der Neunziger Jahre erklärt, bei dem angeblichen Raumschiff habe es sich um einen Ballon gehandelt, der bei einem streng geheimen Projekt eingesetzt gewesen sei. Mit dem Ballon habe die Atmosphäre auf Hinweise für sowjetische Atomtests überprüft werden sollen. Doch das ist den meisten hier in Roswell entweder viel zu profan oder es ist einfach schlecht fürs Ufo-Geschäft. Zumal die Wüste rings um die Stadt ja auch zu zu großen Fantasien einlädt. Überall liegen geheime Militärbasen, auf einer wurde der Tarnkappenbomber getestet, auch die Atombombe kam unweit zur Explosion. Und Wernher von Braun und Hermann Oberth, die beiden deutschen Wissenschaftler, die zu den Vätern des amerikanischen Raketenprogramms zählen, haben 1945 ganz in der Nähe gemeinsam mit einem Forscher aus Roswell ihre Projektile in den Himmel geschossen.

In Roswell entwickelte sich ein Ufo-Kult, der in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist. Glenn Campbell, ein Science-Fiction-Autor, der hier lebt, hält diese Faszination für sehr amerikanisch. "Wir sind besessen von Technologie, wir sehen in neuer, besserer Technik die Lösung für unsere Probleme", sagt er. "Die fliegende Untertasse ist daher für uns eine Art Ersatzreligion." Und dieser Kult um das Ufo lockt jedes Jahr Hunderttausende nach Roswell. Allein in den kommenden Tagen werden zum Jubiläum 50 000 Besucher erwartet. Alle Hotels - davon hat die kleine Stadt viele - sind ausgebucht. Bars bieten "galaktischen Wein" und "himmlischen Kaffee" an, auch Kaffeebecher bedruckt mit der Titelseite des "Roswell Daily Record" vom 8. Juli 1947, jenem Tag, an dem die Zeitung von dem Absturz des Ufos berichtete. In diesem Jahr gibt es gleich zwei mehrtägige Festivals mit hunderten von Lesungen, Filmen und Diskussionen, eines von der Stadt organisiert, und eines vom Internationalen Ufo-Museum in Roswell. "Wir haben erstklassige Leute eingeladen", sagte Julie Shuster, die Chefin des Ufo-Museums. Stanton Friedman werde kommen, er hat ein Buch über Roswell geschrieben, und Ann Robinson, die im Film "Krieg der Welten" mitgespielt hat.

Die Museumschefin, eine resolute Mittfünfzigerin, ist die Tochter von Walter Haut. Er war im Juli 1947 der Presseoffizier der örtlichen Armeebasis und bekam damals einen Anruf von einer Radiostation. Bei der war ein Farmer namens Max Brazel aufgetaucht, der Wrackteile aufgesammelt hatte, aus einem ultraleichten, silberglänzenden, nie gesehenen Material. Der PR-Mann Haut machte einen Fehler und sagte den Leuten vom Radio zunächst, da müsse es sich wohl um ein unbekanntes Flugobjekt handeln. Wenig später korrigierte er sich: Es sei ein Wetterballon gewesen.

Am nächsten Tag meldete sich das Militär bei Glenn Dennis, der damals in einem Bestattungsinstitut von Roswell arbeitete. Die Air Force, erinnerte sich Dennis später, brauchte mehrere Särge, einen Meter lang, und luftdicht. Als Dennis auf die Basis eilte, traf er dort eine Krankenschwester, die ihm erzählt haben soll, sie habe Außerirdische seziert, mit vier Fingern, grau-grüner Haut und einem übergroßen Kopf ohne Ohren. Dennis sah die Krankenschwester nie wieder: Sie starb kurz darauf bei einem Flugzeugabsturz. Und die unglaubliche Geschichte wurde für lange Zeit vergessen. Jahrzehnte später, 1992, erschien dann Stanton Friedmans Buch über die Geschehnisse in Roswell. Der kleine Ort wurde immer bekannter und Walter Haut, Glenn Dennis und der Immobilienmakler Max Littell schlossen sich zusammen und gründeten das Ufo-Museum. Mittlerweile haben sie allerdings schon Konkurrenz bekommen in Roswell. Nicht weit von dem Museum entfernt liegt die "Alien Zone", auch hier bieten sie UFO-Memorabilia an, vom Kugelschreiber bis zum Frisbee. Zwei Männer bauen gerade einen Kinderspielplatz auf, die Hauptattraktion ist natürlich ein großes Gummi-Ufo.

Randy Reeves, der Besitzer der "Alien Zone", markiert auf einer Landkarte die Absturzstelle des Ufos, es ist ein einsamer Ort in den Bergen, weit abseits der Straße. "Da ist aber nichts zu sehen", sagt er. "Das ist auch nicht der wirkliche Absturzort. Das behauptet das Militär nur, damit wir nicht an der echten Stelle graben. Und möglicherweise steckt sogar das Ufo-Museum mit denen unter einer Decke." Vielleicht, ja vielleicht ist die Verschwörung also noch viel größer. Stecken die Aliens mit der amerikanischen Regierung unter einer Decke? Das glaubt Guy Malone aus Roswell, dessen Organisation "Alien Resistance" sich die Räume mit einem Tätowierstudio teilt.

Malone hält die Aliens für Teufel, das stehe schon in der Bibel, sagt er. Die Aliens wollten zusammen mit einer Handvoll superreicher Männer die Menschheit versklaven. Auch Hitler sei eine ihrer Kreaturen gewesen. Er habe mit Hilfe von Schwarzen-Sonnen-Ufos, die sich durch die Zeit bewegen konnten, die Weltherrschaft gewinnen wollen. Diese Nazi-Ufos habe Wernher von Braun gebaut und deshalb habe ihn die US-Armee auch nach Amerika geschafft. Malone meint das ganz ernst und sagt dann: "Die Handelskammer von Roswell hört das nicht so gerne." Immerhin lebten viele der Einwohner hier vom Ufo-Tourismus. Und dafür sind Malones Verschwörungstheorien dann doch ein wenig zu düster.

Warum aber glauben so viele Amerikaner an Verschwörungen, in welche die Regierung verwickelt ist? Eine gute Frage für den Filmemacher Chris Carter, dessen Serie "Akte X" eine Verschwörung zwischen Außerirdischen und der Regierung schildert. "Das liegt daran, dass wir in den sechziger und siebziger Jahren viele schockierende Ereignisse hatten: Der Mord an John F. Kennedy und Martin Luther King, die so genannten Pentagon Papers, die bewiesen, dass die Regierung über Vietnam gelogen hatte, und natürlich Watergate", sagt Carter. "Und außerdem gibt es in Amerika diese gigantischen, geheimnisvollen Konglomerate des militärisch-industriellen Komplexes, und die Verbindung zwischen diesen Strukturen und dem Weißen Haus macht vielen Leute Angst."

Julie Shuster, die Museumschefin und Tochter des Presseoffiziers Walter Haut, glaubt allerdings nicht, dass ihr Vater Teil einer Verschwörung war. "Mein Vater hat mir kurz vor seinem Tod gesagt, dieses Flugobjekt, das war nicht von dieser Welt", sagt sie. "Und ich glaube ihm." Wenn die Luftwaffe den Absturz eines geheimen Kampfflugzeuges hätte vertuschen wollen, hätte die das anders regeln können. Für Shuster war es ein Ufo, und im übrigen sei ihr Ufo-Museum die einzige Institution in ganz Roswell, die sich seriös mit dem Absturz vor fünfzig Jahren beschäftigt. "Wir präsentieren nur die Fakten, die Besucher können selbst urteilen." Julie Shuster hat große Pläne.

Das Ufo-Museum hat nun ein neues Grundstück erworben, dort soll eine neue, größere Präsentation entstehen, mit einem Theatersaal, neuester Technik, einem Restaurant und einem Themenhotel. 25 Millionen Dollar soll das alles kosten, das Geld ist noch nicht beisammen, aber Frau Shuster ist optimistisch. "Zum Jubiläum werden wir den symbolischen ersten Spatenstich tun", sagt sie. In drei Jahren, hofft sie, ist das neue Museum fertig. Und auch die Stadt hat Pläne. Mit einem Investor aus Florida plant sie einen Ufo-Themenpark, wo der Besucher erleben kann, wie es sich anfühlt, von einem Ufo entführt zu werden. Vielleicht wird dort ja eines Tages auch das Ufo der Nazis nachgebaut. Als Karussell, oder als Geisterbahn.

So die ´Berliner Zeitung´ vom 4.Juli 2007 - siehe so: http://www.berlinonline.de/berliner...

PS: Die hier verwendeten Bilder sind genau zehn Jahre alt und gehören zur Roswell-Show 1997.

Externe Links

http://www.youtube.com/watch?v=kjBnlTdIklM
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/seite_3/666971.html

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