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12.04.2005


    
Viel Aufregung um weiße Scheiben

Ein Mannheimer geht UFO-Meldungen nach - Meistens sind es sehr "bekannte Flugobjekte"

Viel Aufregung um weiße Scheiben - Ein Mannheimer geht UFO-Meldungen nach - Meistens sind es sehr "bekannte Flugobjekte"

so hieß eine Überschrift zu einem Artikel von Steffen Becker am 10.April 05 in der "Sonntag-Aktuell", der Sonntagsausgabe für Abonnenten diverser schwäbischer Zeitungen wie ´Stuttgarter Nachrichten´ oder ´Stuttgarter Zeitung´ sowie ihren Regionalausgaben, der ´Südwest-Presse´ und deren Regionalausgaben, der ´Rheinpfalz´, der ´Pirmasener Zeitung´, dem ´Mannheimer Morgen´, der ´Schwetzinger Zeitung´ und dem ´Südhessen Morgen´. Fast eine Millionen Zeitungsabonnenten wurden so erreicht. Zum Inhalt:

An den netten Außerirdischen von nebenan, der auf dem Mond Kühe hütet, wollte Werner Walter nicht glauben. Der Mannheimer gründete eine Forschungsgruppe, richtete eine UFO-Meldestelle ein - und wurde zum Skeptiker.

Außerirdische besuchen regelmäßig die Erde. Sie sind unsere guten brüder und Schwestern und bewahren uns vor einem Atomkrieg. Ausgewählte Kontaktpersonen übermitteln sie ihre Botschaften: Auf der Rückseite des Mondes sehe es aus wie im Schwarzwald, die glücklichen Kühe weiden auf saftigen Wiesen, ganz ähnlich auf der Venus, die Außerirdischen hätten dort Bahnensysteme, Zuglininen mit Plüschsofas drin.

"Das war einfach zu viel", sagt Werner Walter. Als Jugendlicher in den Alien-hysterischen 70ern war der Mannheimer Hobbyastronom fasziniert von außergewöhnlichen Himmelsphänomenen und unidentifizierten Flugobjekten (UFO), verschlang Bücher mit Titeln wie "Planetenmenschen besuchen unsere Erde" oder "Das Alienimperium". Doch heute ist Werner Walter in der UFO-Szene verhasst, bekommt böse Anrufe und etwa einmal jährlich eine Bombendrohung. Denn Walter betreibt seit Ende der 80er Jahre zusammen mit etwa 15 Mitstreitern eine UFO-Meldestelle, die unbekannte Flugobjekte als Partyballone, lichtstrake Schweifer oder Wetterkapriolen entlarvt. "95 Prozent aller Beobachtungen, die uns Menschen aus ganz Deutschland schildern, lassen sich so ganz simpel erklären", sagt Walter. Auch der "riesige, tropfenförmige Apparat", den zwei Dutzend Anrufer von der Schweiz bis ins Saarland am späten Abend des Karfreitags meldeten, war nicht gekommen, um uns vor einem Atomkrieg zu bewahren. Das Himmelsschauspiel war ein verglühender Meteor. "So was sieht man wahrscheinlich nur einmal im Leben. Klar, dass die Leute irritiert und erregt sind." Dann brauchen sie einen Ansprechpartner, der ihnen nicht das Gefühl vermittelt, ein Spinner zu sein, der abgewimmelt werden muss. Als ehrenamtlilcher Mitarbeiter einer Sternwarte hat er erlebt, wie naserümpfend man dort mit aufgewühlten Anrufern umging. Die Idee für eine UFO-Meldestelle ward geboren. Der Vorteil: Ein telefonanruf in Walters Mannheimer Wohnung, zwischen Papierbergen, ´Perry-Rhodan´-Stickern und ´Akte X´-Postern ist wesentlich bequemer als das Nachrecherchieren von Zeitungsmeldungen.

Damit hatte es angefangen: 1973 beschrieb die ´Bild´ ein UFO über dem fränkischen Ansbach. Walter fuhr hin - und fand einen roten Miniatur-Heißluftballon. Diese Erklärung war weniger spektakulär als ein Venusraumschiff mit Plüschsofas. Weil Walter sie dennoch vertrat, kündigten ihm die Oberen seiner UFO-Gesellschaft die Mitgliedschaft. 1976 gründete er mit einigen Mitstreitern das Centrale Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene (CENAP), welches die am Meldetelefon eingehenden Sichtungen untersucht. Was für die einen Schilderungen von Kontakten mit außerirdischer Intelligenz ist, kann Walter nach 30 Jahren Beschäftigung mit UFOs oft sofort einordnen. Sieht ein bisschen aus wie das Dimensionstor aus dem Film ´Stargate´, leuchtet blau und bewegt sich schnell bedeutet etwa ein Polarlicht wie es zuletzt vergangenen Herbst über Deutschland zu sehen war.

Bei schwierigeren Fällen schaut entweder ein CENAP-Mitglied vorbei oder Walter verschickt einen Fragebogen: Glaubt der Zeuge, er habe ein Naturphänomen gesehen oder ein außerirdisches Flugobjekt oder vielleicht doch eine Geheimwaffe der Nazis von 1945? Letztere Option zur Wahl zu stellen ist weniger abwegig, als es auf den ersten Blick scheint. Im März dieses Jahres übergaben kanadische Behörden den Holocaust-Leugner Ernst Zündel an die Staatsanwaltschaft Mannheim. Der 65-Jährige und seine Anhänger vertreten die These, dass Hitler sich nicht umgebracht hat, sondern mit einem Goldschatz in die Antarktis geflohen ist. Dort werkele er munter weiter an seinen Wunderwaffen, den reichsdeutschen Flugscheiben. "85 bis 90 Prozent der Leute in der UFO-Szene haben einen Schlag", stellt Werner Walter lakonisch fest.

Doch es sind nicht die Spinner, die bei ihm anrufen. "Eher Männer, meist zwischen 30 und 50. Menschen, die fest im Leben stehen", sagt Walter. Leute, die sich durchtelefonieren, bis das Bundesluftfahrtamt oder eine Sternwarte sie an Walter verweist. Leute, die auf Walters Vorschlag dem Phänomen entgegenfahren und arg enttäuscht sind, wenn sie auf die Großscheinwerfer einer Discothek stoßen. "Sie wünschen sich unbewusst eine spannende Geschichte und kommen daher nicht auf die simplen Erklärungen. Wenn sie dann darauf gestoßen werden, ist es ihnen peinlich, und sie legen meist recht abrupt auf", erzählt Walter. Wirklich spektakuläre Fälle sind selten. Im August 1990 etwa überquerten mehrere geordnete Formationen roter Objekte langsam die Ostsee. Hunderte Zeugen fotografierten und filmten das Ereignis. Walter versuchte, in Kontakt zu DDR-Behörden zu treten, erhielt aber im Vereinigungstrubel keine Antwort. Erst vier Jahre später konnte er sich den größten je in Deutschland dokumentierten "UFO-Zwischenfall" erklären. Die Flotte des Warschauer Pakts hatte während ihres letzten großen Seemanövers Leuchtziele an Fallschirmen herabschweben lassen. Wieder ein IFO (identifiziertes Flugobjekt) mehr auf seiner Liste. Walter könnte sich zufrieden zurücklehnen. Nur eines nagt ein wenig an ihm. Erlebnisse, die seine Anrufer elektrisieren, blieben ihm verwehrt: "Ich selbst sehe nie was."<

Begleitet wurde der Text von einem Foto von mir am Schreibtisch ("Zwischen Science-Fiction-Literatur und Realität: Werner Walter hat bereits vielen vermeintlichen UFO-Entdeckern die Illusion nehmen müssen.") und einem Infokasten mit Rufnummernangabe, E-Mail-Adresse sowie Internet-Link hin zu www.cenap.de


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