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01.05.2004


    
Unkontrollierte Flug-Objekte

Hobbypiloten genießen über den Wolken viele Freiheiten / Behörden prüfen die Sicherheit in Fliegerclubs

Unkontrollierte Flug-Objekte

Hobbypiloten genießen über den Wolken viele Freiheiten / Behörden prüfen die Sicherheit in Fliegerclubs

Von Wulf Stibenz

Mit steigenden Temperaturen starten wieder jedes Wochenende hunderte Kleinflugzeuge. Sobald sie in der Luft sind, unterliegen die Hobbypiloten keinerlei Überwachung. Trotz des dichteren Flugverkehrs sinken die Unfallzahlen.

„Mit meinem Segelflugzeug bin ich frei wie ein Vogel“, sagt Jan Simon. Der Vorsitzende des Fliegerclubs Oschatz ist kein pathetischer Typ. Pilot Simon hat einfach Recht. Kein Radar der Flugsicherung überwacht den Herren der Lüfte. Das liegt an der Einteilung des Luftraumes in kontrollierte, obere und unkontrollierte, untere Sektoren. Hubschrauber, Segelflugzeuge oder Ballone sind somit „Ufos“, Unkontrollierte Flug-Objekte. Die Gründe: Sie sind klein, fliegen niedrig und langsam.

An guten Tagen könne Simon bis zu 300 Kilometer weit fliegen – ohne Motorkraft. Einmal mit Seilwinde oder Schleppflugzeug in die Luft gebracht, kreist er mit seinem Segelflieger über aufsteigenden warmen Luftströmen. Das nennt sich in der Pilotensprache Thermik. „Mit dem Segler springe ich einfach von Wolke zu Wolke“, sagt Simon. Nur wo er landet, lässt sich nicht berechnen. „Wenn ich auf einem Feld runterkomme, denken die Leute oft, ich wäre notgelandet“, sagt der Pilot. Das sei natürlich Humbug. Denn wo keine warme Luft aufsteige, sinke der Segelflieger eben langsam zu Boden. „Fliegen ist Physik, wenn auch eine besonders faszinierende.“

Nur Pilot und Wetter bestimmen die Flugroute: Wohin die Hobbypiloten bei guter Thermik fliegen, ist ihnen überlassen. „Es gibt nur wenige Beschränkungen“, sagt Ronald Michael, Chef des Luftverkehrsamtes im Regierungspräsidium Dresden. Flugverbote gebe es lediglich in der Nähe von Verkehrsflughäfen, um Übungsplätze der Bundeswehr oder Sicherheitszonen wie beim Forschungszentrum Rossendorf nahe Dresden.

Die Freiheit zum Saisonstart Jugendliche und Rentner gleichermaßen hinter den Steuerknüppel. Auf 26 Flugplätzen sind zurzeit rund 1 600 Hobbypiloten in sächsischen Vereinen aktiv. Jedes Jahr werden es mehr, die Unfallzahlen gehen trotzdem zurück. „Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht“, sagt Michael. Damit das so bleibt, kontrollieren die Fachleute des Luftverkehrsamtes regelmäßig und unangemeldet Technik, Ausbildung und Piloten in den Clubs. Werden Mängel entdeckt, folgen Auflagen, Bußgelder oder eingezogene Lizenzen. „Undisziplinierte Flieger, defekte Flugzeuge und schwarze Schafe gibt es immer mal“, sagt Michael. So wurde kürzlich der Flugplatz Großrückerswalde im mittleren Erzgebirgskreis geschlossen. „Doch solche Fälle sind die Ausnahme“, sagt Michael. Die Statistik der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen in Braunschweig bestätigt die Qualität sächsischer Fliegerclubs. Während es 2003 bundesweit 112 Flugunfälle der Ufos gab, waren es in Sachsen zehn.

Darunter sind harte Landungen, Ausfall von Instrumenten und Berührungen mit Hindernissen – aber auch das Unglück im Mai. „Bei Riesa-Canitz stürzte ein Schleppflugzeug beim Start ab und brannte völlig aus“, berichtet Michael. Beide Piloten kamen ums Leben. Und auch der angehängte Segelflieger machte eine Bruchlandung – der Pilot erlitt schwerste Verletzungen.

Fliegen ist ein sicherer und faszinierender Sport. „Diese Tragödien sind oft das Resultat technischen und menschlichen Versagens zugleich“, sagt Michael. Deshalb gebe es bei Ausbildung, Prüfung und Kontrolle von Mensch und Maschine hohe Standards. „Schließlich haben Clubs, Piloten und wir die Verantwortung“, sagt der Chef des Luftverkehrsamtes. Jeder am Segel- oder Motorfliegen Interessierte, so Michael, könne sich von der Qualität eines Fliegerclubs überzeugen. Kriterien sind: Versicherung für Mitflieger, Piloten mit vielen Flugstunden und die Lizenz zur Ausbildung. Wo es das gibt, steht der grenzenlosen Freiheit über den Wolken nichts im Wege.

Sächsische Zeitung, Freitag, 30. April 2004


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