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29.08.2003


    
Reise zu den Wundern dieser Welt

Mystery Park - wo die Neugierde kapituliert

Die Bergwelt oberhalb Interlakens mutet mystisch an. Vor allem dann, wenn das Wetter unentschlossen Wolkenfetzen über den Himmel schmiert und früh-herbstliche Nebelschwaden in Gipfelnähe hängen. Plötzlich kann man sich vorstellen, dass hier Feen, Gnome und Geister zu Hause sein könnten. Oder Zauberer.

Aber auch Wissenschaftler sind in Interlaken nun öfter anzutreffen - angezogen vom nüchternen Bauwerk am Fusse der Berge, in dem Erich von Dänikens Mystery Park untergebracht ist. Denn seit Mai können hier die grossen Rätsel dieser Welt betrachtet und erlebt werden. Hier soll das Eintauchen in die geheimnisvollen Hinterlassenschaften uralter Kulturen möglich sein. Um zu sehen, ob sich in Erich von Dänikens Mystery Park das Geheimnisvolle mit Fakten aus Archäologie und Naturwissenschaft verbindet, hat das «Bieler Tagblatt» die Archäologin und Leiterin des Bieler Museums Schwab, Madeleine Betschart, und den Bieler Zauberer Christoph Borer zum Parkbesuch eingeladen. Interessante Fragen will Borer präsentiert bekommen, Betschart will staunen und hofft, dass im Mystery Park die Dimensionen monumentaler Bauwerke emotional wahrnehmbar sind.

Die ersten Rätsel der Menscheit begegnen den Besuchern bereits in der Cafeteria des Mystery Parks: Eine Mini-Maya-Pyramide entpuppt sich als Bierzapfsäule mit Feldschlösschen-Logo. Das emotionale Staunen über die Dimensionen, die Sponsoring annehmen kann, bleibt denn auch nicht aus. Ausgerüstet mit dem Hightech-Besucherinformationssystem Kosy, das alle Besucher ein wenig wie Ausserirdische aussehen lässt, führen die ersten Schritte in den indischen Pavillon. Vor dem Eingang hängen indische Saris, drinnen steht im Dämmerlicht die nachgebildete Anlage eines indischen Tempels. Hier wirft von Däniken die Frage auf, ob denn die Vimanas, von denen in alten Sanskrit-Schriften die Rede ist, weltall-taugliche Fluggeräte waren. Was in der Side-Show des indischen Pavillons eher verhalten thematisiert wird, kommt im Film der Main-Show mit brachialer Gewalt daher: Da entwirft von Däniken Star-Wars-Szenarien, wie sie sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken können. Die ausserirdischen Völker, so von Dänikens Interpretation der Sanskrit-Schriften, hätten sich mit Waffen bekämpft, deren Ähnlichkeit mit der Atombombe nicht zufällig scheint. Im Film sucht ein Amerikaner die Quellen für diese Behauptungen in der Asiatischen Zentralbibliothek von Bombay. Sein Frage- und Antwort-Spiel mit der schönen Inderin zu den Sanskrit-Schriften bringt aber wenig Erhellendes. Betschart und Borer staunen. Allerdings weniger über die Behauptung, dass möglicherweise Ausserirdische die Götter der alten Inder waren, als vielmehr darüber, wie im Mystery Park mit historischen Quellen umgegangen wird. «Diese können nicht eins zu eins umgesetzt werden», sagt etwa Betschart. Unmöglich könne man die heutige Sichtweise in die Vergangenheit projizieren. Für Christoph Borer werden im Film «freche Behauptungen» aufgestellt, die - wenn überhaupt - nur mit lückenhaften Quellenangaben versehen seien. Auch sind Borer gewisse Verbindungen, die von Däniken knüpft, wie etwa die, dass die drei grossen ägyptischen Pyramiden in einer Linie mit dem Orion-Gürtel lägen, «zu banal».

Das Ausstellungskonzept wiederholt sich in fünf der sieben Ausstellungs-Pavillons: In der Side-Show können die Besucher die Rätsel der Welt begehen und anschliessend in der Main-Show auf Grossleinwand sehen. In zwei Pavillons gibt es nur die Main-Show zu sehen. Es sind dies ein Film über die rätselhaften Nasca-Linien im küstennahen gleichnamigen Wüstengebiet Perus und «Challenge - sind wir allein im All?», eine 3D-Filmreise durch den Weltraum; dabei immer im Ohr: Die Stimme Erich von Dänikens, der über Kosy eindringlich durch seinen Park führt und Fragen über Fragen aufwirft. Antworten wolle er im Mystery Park keine geben, sagt von Däniken. Doch lässt der Ufo-Forscher und Bestseller-Autor keine Zweifel darüber aufkommen, wie die Cheops-Pyramide in Ägypten erbaut und wozu die gigantischen Steinblöcke von Stonehenge angeordnet wurden oder worauf der Sonnenkalender der Mayas hinweist: All diese Bauwerke hätte der Steinzeitmensch nicht ohne Hilfe von Ausserirdischen errichten können. Eine Aussage, die Betschart zum Widerspruch reizt: «Diese Bauwerke wurden von Menschenhand geschaffen. Wir dürfen die Wertschätzung für die Leistungen dieser Kulturen nicht verlieren, in dem wir ihnen das nötige Können absprechen.» Und Borer betont, dass der Mensch vor tausenden von Jahren nicht notwendigerweise dümmer gewesen sei, als er es heute ist. «Immerhin hatten die Ägypter, die Mayas und die alten Griechen eine Hochkultur.» Dass im Mystery Park Stimmen aus Forschung und Wissenschaft gänzlich fehlen, bedauern Betschart und Borer: «Von Däniken sagt, die Archäologie habe keine Antworten. Aber die Forschung läuft weiter. Verschiedene Fachmeinungen wären eine Bereicherung», sagt Betschart.

Dass von Däniken in seinem Eifer manchmal übers Ziel hinausschiesst, scheint unter den Besuchern niemanden zu stören. So verkauft er in einer Show die Geschichte des Mannes, der von einem Raumschiff auf einen hohen Berg transportiert worden sei, als wahr - ohne Quellenangabe. Auch scheint es niemanden zu stören, dass der Astro-Physiker, der sich in der Challenge-Show zu Wort meldet, unverkennbar mit von Dänikens Stimme spricht. Auch nicht, dass ein Styropor-Stonehenge, versehen mit einer high-tech Laser-Show, wenig mit der Realität im Süden Englands zu tun hat. Stimmung kommt bei den Park-Besuchern trotzdem keine auf. Auch Betschart ist verstummt. Für Begeisterung bei den Restaurant-Gästen sorgt dann auch nicht die Ausstellung, sondern eine Windböe, die am Mittag sämtliche Stühle auf der Restaurant-Terrasse wegfegt. Am Ende des Tages sind sich Madeleine Betschart und Christoph Borer einig: Der Erlebnispark biete zu wenig Erlebnis, das sinnlich-magische Element fehle. «Es bleibt wenig Raum für die eigene Fantasie», so Betschart. Die Sanskrit-Texte, die von grosser Schönheit seien, hätten vorgelesen eher beeindruckt. «Dann hätte man sich eigene Bilder der Vimanas machen können.» Borer wurde einer Illusion beraubt: «Der Park macht die Rätsel dieser Welt kleiner als sie sind, er entzaubert sie.» Dabei sind Geheimnisse wichtig, auch darin sind sich die beiden Bieler Besucher einig. Borer: «Warum sollen solche Bauwerke eine Botschaft an den heutigen Menschen sein? Wenn sie damals eine Bedeutung für ihre Erbauer hatten, so ist dies faszinierend genug. Man muss nicht alles wissen und verstehen.» Ein Umstand, mit dem sich Betschart einst schwer tat: «Während meines Studiums konnte ich es beinahe nicht ertragen, nicht zu wissen. Heute macht dies einen grossen Teil der Faszination meines Berufes aus.»

«Die Antwort auf alle Fragen liegt in der Neugierde», donnert Erich von Däniken während der Stonehenge-Show ab Band. Die Ironie dabei: Ausgerechnet in seinem Park kapituliert die Neugierde vor zu starker Vereinfachung. Andrea Sommer

Quelle: Bieler Tagblatt vom 28.08.2003


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