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24.07.2002


    
"X-Faktor" live im Weizenfeld:

Der Kornkreis bei Wellingen lockt viele Besucher an - Großes Rätselraten um die Entstehung der geheimnisvollen Ringe

- Von KATHRIN WERNO -

Merzig. Der Mann kommt langsam durch den Mittelkreis zu dem kleineren Ring, schaut immer wieder auf den Boden, bückt sich nach den Ähren. "Aha, hier ist also das Schachbrettmuster", sagt Josef Meiers aus Bietzen und weist mit seinem Stock auf das Flickmuster vor sich. Schon zum zweiten Mal ist er zum Kornkreis an der Grenze zwischen dem Saarland und dem französischen Département Moselle in Lothringen gekommen (wir berichteten). "Vergangene Woche habe ich die Ringe nur aus der Ferne betrachtet, jetzt wollte ich mir das mal genauer ansehen", meint er, "einmal liegen die Ähren rechtsrum, einmal linksrum. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll." Damit ist er nicht alleine. Seit die Kornkreise - vier miteinander verbundene Kreisformationen, die wie mit einem Riesenstempel ins Kornfeld gedrückt aussehen - an der Skulpturenstraße "Steine an der Grenze" entstanden sind, ziehen sie viele Menschen in ihren Bann. Familien verlegen ihren Sonntagsausflug ins Weizenfeld, Jugendliche feiern abends im Kornkreis. Sogar französische Wünschelrutengänger waren schon da, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Landwirt Gilbert Streit aus dem französischen Betting, dem das Feld gehört, scheint von den seltsamen Ringen weniger begeistert. Es heißt, er habe sogar Anzeige gegen unbekannt erstatten wollen, als er die platt gedrückten Stellen in seinem Weizen entdeckte.

"Kornkreise haben mich schon immer fasziniert, und wenn dann eine Formation direkt um die Ecke auftaucht, gehe ich natürlich hin", sagt Elke Schweitzer aus Brotdorf, "dieses Rätselraten um die Entstehung der Kreise ist richtig spannend." In den Ringen versammeln sich immer mehr Leute, die sich gegenseitig auf die Lage der Halme aufmerksam machen, die Formation fotografieren oder einfach nur da sitzen und die perfekte Geometrie der Kreise bestaunen. Wie Steve Maas aus Orscholz. Der Achtjährige interessiert sich für außergewöhnliche Phänomene und schaut sich mit seiner Familie häufig die Serie "X-Faktor" bei RTL 2 an, die sich mit übersinnlichen Dingen beschäftigt. Das hier ist X-Faktor live für den Jungen, der sich immer wieder nach den Halmen bückt und die Traktorspuren analysiert. Die mysteriösen Formen schweißen die vielen Kornkreis-Touristen irgendwie zusammen, wildfremde Menschen philosophieren plötzlich miteinander über das Universum und, ob es vielleicht doch außerirdisches Leben gibt. "Naja", meint dann einer trocken, "wahrscheinlich sitzt jemand im Gebüsch und lacht sich tot über uns, weil er den Kreis nachts selbst gelegt hat."

Eine Vermutung, die auch mehrere "SZ"-Leser haben. Nach Erscheinen des Artikels über die Formation in der vergangenen Woche riefen Leser an, die Menschen mit Brettern im Kreis gesehen haben wollen. Diese Hinweise führten jedoch nicht weiter, da Fotos von den Ringen schon mehrere Tage vor ihren Beobachtungen entstanden sind. Michael Schmidt schreibt in einer Email: "Selbstverständlich weiß man, wie Kornkreise entstehen." 1991 hätten zwei Engländer ein Geständnis abgelegt. "Sie haben die ersten Kornkreise getrampelt, weil sie sich über die Ufo-Berichte in Boulevardblättern lustig machen wollten. Weltweit haben sich dann zahlreiche Nachahmer gefunden." Der Saarbrücker Kornkreis-Experte Andreas Müller, der zurzeit in England eine große, neu entstandene Formation bei Stonehenge untersucht, sagt dazu: "Niemand bezweifelt, dass es von Menschen gemachte Kreise gibt, aber es gibt eben auch ,echte{lsquo} Formationen." Wie ein Detektiv hat er in der Formation bei Wellingen nach Hinweisen gesucht, um die Ursache der niedergedrückten Halme zu ermitteln. Dabei fahndet er nach Spuren, die ins Feld führen, schaut sich die Lage der umgelegten Pflanzen an und guckt nach aufgeplatzten Wachstumsnarben, die durch kurzfristige Erhitzung der Halme in echten Formationen entstehen. Biophysiologische Untersuchungen in einem Labor in Michigan würden zeigen, dass eine Art elektromagnetische Energie auf die Pflanzen eingewirkt und von außen nach innen erhitzt habe. Das Labor geht nach Auskunft von Müller davon aus, dass es sich um elektrisch geladene Windwirbel handelt, die auf die Erdoberfläche auftreffen und Abdrücke hinterlassen. Aufgeplatzte Wachstumsnarben hat der Fachmann im Kornkreis an der Grenze nicht gefunden - ein Indiz, aber kein Beweis für menschliches Wirken. "Es gibt aber schon gute Gründe, die darauf hindeuten, dass die Formation von Menschen gemacht wurde." Festlegen will er sich noch nicht. Damit geht für Müller das Forschen und Analysieren weiter. Und für die begeisterten Kornkreis-Besucher das faszinierende Rätselraten.

Quelle: Saarbrücker Zeitung, 24.Juli 2002/RG


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