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17.06.2002 |
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Padre Pio heilig gesprochen - Katholische Mystik der neue Para-Dreh? Erstaunliche (irrationale) Ereignisse zu Beginn des 3.Jahrtausends Vorweg: Ich selbst bin Katholik, jedenfalls katholisch getauft und zeitweise mit väterliche Prügel in die Kirche gejagt worden und immer noch Kirchensteuerzahler, trotzdem. Am 16.Juni 2002 wurde der ehemalige Kapuzinermönch Padre/Pater Pio vor rund 300.000 Zuschauern in Rom bei einer der größten Messen überhaupt durch Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen, damit wurde Pio endgültig zum populärsten Heiligen Italiens, wird nun Heiliger Pio genannt und für den Papst sei dies eine "Herzensangelegenheit" gewesen (immerhin ist Papst Johannes Paul II.nicht nur wegen seiner Reisetätigkeit Anwärter auf das Guniess-Buch der Rekorde, sondern auch weil er in seiner Amtszeit 461 Menschen entweder selig oder heilig gesprochen hat - mehr als alle seine Vorgänger zusammengenommen!). Bereits als 15-Jähriger hatte Pio Visionen gehabt; 1918 bildeten sich nach der Preisterweihe auf seinem Körper die Wundmale Jesu (Stigmata), was sofort von den Gläubigen als dessen besondere Verbundenheit mit Jesu verstanden wurde. Von 1916 bis zu seinem Tod 1968 lebte er in San Giovanni Rotondo in Apulien, wo er auch begraben liegt. Der ehemalige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla und spätere Johannes Paul II. hatte Padre Pio 1962 bei einem Besuch ersucht, für die polnische Krebskranke Wanda Poltawska zu beten - woraufhin sie geheilt wurde. Pio soll viele derartige Wunder verbracht haben und konnte auch die Zukunft sehen. Zu Lebzeiten war er im Vatikan umstritten und man verbot zwischenzeitlich gar seine Messen, dennoch erfuhr er Jahrzehnte nach seinem Ableben die größte Heiligsprechung aller Zeiten und Pio wurde als ein Vorbild für die Welt bezeichnet. Und dies ist vielleicht wieder kein Wunder, wenn man weiß das längst schon jeder zweite Italiener insgeheim eine Fürbitte von Padre Pio erfleht, wenn sie sich in einer Notsituation befinden! Im Sinne der Volksfrömmigkeit war Pio längst schon von einer grenzenlosen Verehrung gesegnet gewesen - und die katholische Kirche tat ´gut´ daran Pio im religiösen Sinne zu ´adeln´, das gläubige italienische Volk hatte längst schon mit den Füssen abgestimmt und die Begräbnisstätte Pio´s ist längst schon zum meist-besuchten Wallfahrts-Ort der Welt geworden - mit 7,5 Mio Pilgern im Jahr. Ein Besucher der Papst-Messe in der ZDF-Sendung "heute" am 16.6.02: "Padre Pio präsentiert alles für mich: Das Leben und die Hoffnung in dieser immer verrückter werdenden Welt." Für mich ist aber die Heiligsprechung, entlang der gepflegten katholischen Mystik, selbst schon ´verrückt´ genug: Noch 1920 stellte ein Vatikan-Beauftragter fest, dass Pater Pio ein "Selbstverstümmler, Psychopath und Schwindler" sei. Das hält die Leute aber nicht davon ab, im Gegenteil geht es zumeist um ganz handfeste Auseinandersetzungen zwischen "Amtskirche" und "Volksfrömmigkeit" - sowie meiner Ansicht nach um die christlich-kirchliche "Glaubens-Politik" nach dem Motto: "Gebt der Welt die Wunder, die sie braucht - Hauptsache der christliche Glaube wird durch diese Mystik gestärkt." Im 3.Jahrtausend scheinen wir dies wieder zu brauchen (?). Wie auch immer, nach Pio gab es eine Welle von katholischen Glaubenswundern, begonnen mit der Stigmatisierten von Konnersreuth in Bayern. Außerdem einige Marienerscheinungen, z.B. Marienfried, Amsterdam u.Ä. Meines Erachtens nach der religiöse Gegenentwurf zur wilden, freien und ´esoterischen´ Okkultismuswelle in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts ohne einer übergeordneten ´Macht´. Mit dieser katholisch-christlichen Mystik wurde wieder Land wettgemacht. Die Wortgeschichte von Mystik beginnt so auch christlich und geht auf das rituell benutzte Adjektiv mystikos zurück und benennt den tieferen Sinn des biblischen Wortes, der Sakramente. Doch erst im rationmalistischen 17.Jahrhundert wird das Wort als "Erfahrung und Wissenschaft" geprägt, auch wenn es schließlich nur um alle religiösen Phänomene (beschrieben im Alten sowie Neuen Testament) geht. Mystik versteht sich an der Basis als "Aufgehen des Menschen in Gott oder im Göttlichen, ja vielleicht in etwas, das noch hinter Gott liegt, einem ´Leeren´ oder ´Nichtseienden´" lt. dem "Lexikon der Religionen". Mystik allgemein hat jene fundamentale Ebene: sie ist Erfahrungswissen vom Absoluten, Umgreifenden im Raum von sinnenhaften Erfahrungen, prophetische/visionäre Erlebnisse mit ´parapsychologischen´ Elementen in direkten oder weiteren Sinne. Alles Dinge der so genannten "Urerfahrung" des Menschen im ´Total-Anderen´ der physikalischen Welt. Der Kulturgeschichte nach sind diese Erfahrungen außerordentliche Gnaden-Erfahrungen der Un-Erkennbarkeit. Schlußendlich also schamanistisch - und abergläubisch. Mit der Intellektualisierung des christlichen Abendlandes ist dies auch zum magischen Aberglauben entartet: Wahrsagen und Hexerei als Weg hin zum Absoluten. Auch wenn Sie dies jetzt verwirren und irritieren wird - aber nur dann, wenn Sie die Hintergründe nicht kennen. Doch im christlichen Brauchtum ist davon viel verwurzelt und man kann nur noch staunen: Heilige, Wallfahrt, Ikonen, Segnungen etc. All dies gehrört einfach zum christlichen Lebensgefühl - und ist eine evolutionäre Erfahrung im Menschsein. Die Esoterik sowie New Age (oder eine Art ´pantheistische Mystik´) ist nur der ´ungewollte´ Bruder von all dem, weil man plötzlich Gott in allen Dingen der Bundheit des Lebens finden kann. Begründet ist dies grundsätzlich und fundamental auf einer religiösen Sehnsucht, egal aus welcher subjektiver oder objektiver Perspektive man sich dem nähert. Daraus entsteht ein Reichtum der Mystik. Drei Etappen lassen sich im westlichen Christentum unterscheiden: Anfänglich ist Mystik eingebunden in ein symbolisch-sakramentales Weltbild; im Mittelalter ist sie stärker auf personale Bezüge und Emotionalität ausgerichtet (Marienmystik); mit Beginn der Neuzeit wird die deutlicher psychologisch aufgefasst.
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