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09.08.2002


    
UFO-Antrieb: Arbeitet die Flugzeugfirma Boeing am Antigravitationsantrieb?

Boeing soll mit dem "Podkletnov-Effekt" experimentieren, doch der ist bestenfalls umstritten

Antigravitationsantrieb, von Marcus Hammerschmit am 02.08.2002

Ein aktueller Artikel des  Jane´s-Medienkonglomerats behauptet, dass die Firma Boeing mit der Manipulation der Schwerkraft experimentiert, und zwar nach Ideen und experimentellen Resultaten, die der russische Wissenschaftler Jevgenij Podkletnov im letzten Jahrzehnt erarbeitet haben will. Sogar ein firmeninternes Akronym für die Antigrav-Anstrengungen Boeings existiere: GRASP - Gravity Research for Advanced Space Propulsion. Das Ganze findet angeblich bei den  Phantom Works von Boeing in Seattle statt. Man weiß schon länger, dass die Existenz einer Abkürzung in der US-amerikanischen Forschung Ernsthaftigkeit signalisiert, aber das ist nicht das einzige Indiz dafür, dass Podkletnovs Ideen tatsächlich in einer beachtlichen Zahl von Laboren weltweit zumindest für interessant gehalten werden. Vor zwei Jahren gab die NASA offiziell zu, über einen Vertragspartner namens  Superconductive Components mit Podkletnov in Verbindung zu stehen. Die Summen, die dabei in Frage standen, wirken nicht gewaltig (ca. 600.000 US-Dollar) und weisen eher daraufhin, dass die NASA nur mal ihre Fühler ausstrecken wollte. Schon dafür wurde die Raumfahrtbehörde heftig kritisiert, und die sondierenden Forschungen, die an der University of Alabama in Huntsville durchgeführt wurden, entwickelten sich unerquicklich. Eigentlich hätte man ein funktionierendes Antigravitationsgerät bauen wollen, aber die Forschungsgruppe zerstritt sich rasch, als Podkletnovs Ergebnisse nicht reproduzierbar waren und Prof. Ning Li, die führende Wissenschaftlerin, die Arbeitsgruppe verließ - nur um eine eigene Firma zu gründen, die sich ebenfalls mit der Manipulation der Schwerkraft beschäftigt.

Was ist nun dran am "Podkletnov-Effekt"? Nach einem Rundblick im Web muss die Antwort lauten: Man weiß es nicht. Das "klassische" Experiment Podkletnovs hatte darin bestanden, eine schwebende, supraleitende Scheibe aus  YBCO auf magnetische Weise in schnelle Rotation zu versetzen.  Angeblich entstand über der rotierenden Scheibe ein "Antigravitationsstrahl" oder ein "Gravitationsschirm", der Gegenstände, die in seinen Einfluss gerieten, bis zu zwei Prozent ihres Gewichts verlieren ließ. Wie man sich bei einer Technologie vorstellen kann, die im Handumdrehen die Grundfesten der Physik erschüttern würde, werden Podkletnovs Eigendarstellungen zu seinen Forschungen vielfach kritisch gesehen. Dabei ging es zunächst nicht einmal um die kühne Attacke auf Einsteins Konzeption der Schwerkraft - schon die magnetischen Feldstärken, die er erzeugt haben will, sind auf Misstrauen gestoßen. Das ist deswegen relevant, da unter anderem von diesen Feldstärken die nach dem Li/Torr-Modell immerhin denkbare Antigravitationswirkung abhängt. Noch viel dubioser als diese Details sind die  Vorgänge um die wissenschaftlich nachvollziehbare Veröffentlichung seiner Ergebnisse. Ein Schlüsselartikel, der schon zum Druck in einem namhaften wissenschaftlichen Magazin feststand und den peer review-Prozess schon durchlaufen hatte, wurde von Podkletnov aus "patentrechtlichen Erwägungen zurückgezogen", ein finnischer Kollege, mit dem er bis Mitte der Neunziger die Grundlagen für seine revolutionären Experimente gelegt haben wollte, leugnete seine Beteiligung. Und der eingangs zitierte Jane´s-Artikel kolportiert Äußerungen von Podkletnov, die im Vergleich mit seinen bescheidenen Laborergebnissen (so sie denn je erzielt wurden) wie barer Unsinn wirken. Von massiven Fernwirkungen ist die Rede, die sogar an eine militärische Verwendung des Podkletnov-Effekts denken lassen, wobei gleichzeitig die Öffentlichkeitsscheu des Meisters mit seiner ausgesprochenen Friedensliebe erklärt wird: Er wolle ganz sicher sein, dass seine Technologie nicht für den Krieg missbraucht wird, nur eine transparente Zusammenarbeit mit zivilen Institutionen käme in Frage. Das alles wirkt wie die Gespinste, aus denen Verschwörungstheoretiker ihre Märchen weben.

Trotzdem wäre es zu einfach, den "Podkletnov-Effekt" unbesehen in eine Reihe mit dem Perpetuum Mobile, Atlantis, den UFOs und anderen fixen Ideen der junk science zu stellen. Die Konzepte des Russen scheinen in eine Grauzone der Wissenschaft zu fallen, in die manchmal gestandene Wissenschaftler (und bisweilen auch echte Genies) vordringen, weil sie von einer allzu verlockenden Spur nicht lassen können. Wie bei den exzentrischeren Ideen von Nikola Tesla und der  kalten Fusion ist die Frage: Soll sich die Wissenschaft mit so etwas überhaupt auseinandersetzen? Natürlich. Wenn nach gründlicher Prüfung keine klaren Aussagen erzielt werden können, darf man die wissenschaftliche Revolution bis auf weiteres vertagen.

Quelle: http://www.heise.de/tp/deutsch/inha...

Näheres hierzu auch unter:

http://www.space.com/businesstechno...

Externe Links

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/13021/1.html
http://www.space.com/businesstechnology/technology/gravity_research_020731.html

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