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03.11.2006


    
Die angebliche "Alien-Autopsie" brach vielen UFOlogen das Herz

Ende eines modernen Großstadtmythos

1995 war das letzte Boom-Jahr für die "Fliegenden Untertassen"-Jünger und dem modernen Großstadtmythos über außerirdische Raumschiffer auf Erden. Die "UFO"-Konzeption geht bald auf 60 Jahre zurück. Im Sommer 1947 hatte ein Privatpilot über dem Mt.Rainier-Gebirgszug geglaubt eine seltsame Formation von "sichelförmigen" Objekten auszumachen, die die Presse dann "flying saucers" nannte. Und dieser fantastische Begriff setzte alsbald utopische Vorstellungen frei, die später rund um die Welt gingen und "eine neue Religion des Weltraumzeitalters" entstehen ließ: Außerirdische Zivilisationen schicken ihre Astronauten zur Erde, viele von ihnen engelsgleich um "Friedensbotschaften" für die Erdenmenschen durch z.B. spiritistische Wahrnehmungen der mentalen Art durchzugeben. Die ufologische "Neu-Offenbarungs-Religion" versetzte die Welt dabei über Jahrzehnte in Verzückung, so jedenfalls sieht es Werner Walter vom Mannheimer UFO-Phänomen-Erforschungsnetzwerk CENAP, der als Hobbyastronom und Science Fiction-Fan 33 Jahre lang "diese Merkwürdigkeit der Moderne" - wie er es selbst nennt - aktiv begleitete.

"Es gab Zeiten, da lag die Welt im puren ´Fliegenden Untertassen sind unterwegs´-Fieber und man wartete direkt darauf, das Weltsender wie CNN bald die offene Landung von Aliens übertragen würde", resümiert der ufologische Skeptiker, der selbst eingesteht "in den ersten paar Jahren auf dem ausgeflippten UFO-Trip gewesen zu sein" bevor ihn Nüchternheit und sachliche Wissenschaftlichkeit einholte und er begann sich den irdischen Realitäten zu stellen. Und damit zum ausgerufenen Hassfeind der deutschen ufologischen Kirche wurde - und für jene, die mit Megabuchauflagen dem gläubigen Volk "fantastisches Brot und Spiele" boten. Zu diesen unerfüllbaren Versprechungen, die "aber ein Persilschein zum Geldrucken waren", gehörte 1995 der absolute und unerwartete Höhepunkt mutmaßlicher "UFO-Beweisführung". Ein britischer Videoproduzent tauchte aus dem Nichts auf und bot etwas nie dagewesenes an: Ein Filmdokument aus dem Jahr 1947 rund um den inzwischen weltberühmten Roswell-UFO-Crash wonach ein Fliegendes Untertassen-Absturzopfer einer medizischen Autopsie vor offizieller Kamera der US-Regierung insgeheim unterzogen wurde.

1995 sorgte dies überall auf der Welt für Sonderberichterstattungen auf den TV-Kanälen und der darum versammelten, die Buschtrommeln schlagenden Boulevard-Zeitungen. In Deutschland wurde er bei RTL gezeigt, man munkelt für 150.000 DM. Nach all den vielen unscharfen oder "zu schönen" Bildern von den Fliegenden Untertassen, die nach Walter nichts weiter als kleine Modelle sind, die Spassvögel mit mehr oder minder kommerziellen oder pseudoreligiösen Interessen machten, schien der Roswell-"Alien-Autopsie" schlichtweg der Hammer zu sein und der "überzeugendste Beweis", der zusätzlich von den Gurus der UFO-Bewegung in Videocassetten und Büchern sowie ufologisch-esoterischen Zeitschriften hochgelobt wurde. Für Walter und seine Kollegen stand von Anfang an die Geschichte im harten Zweifel, auch weil der britische Herausgeber des Materials ehrlicher Weise zugab, damit nur Geld verdienen zu wollen - und trotzdem alles darauf ansprang. Der Grund: In Roswell stürzte einst einfach nur ein riesiger Wetterballon bei einem geheimen Test als Spionagegerät ab, wie die amerikanische Luftwaffe später auch eingestand. Mit den mythologischen "Fliegenden Untertassen"-Spaceships hatte dies alles gar nichts zu tun, woher sollte also der angebliche "Alien" kommen? Zudem machte der britische Produzent und sein Team einen großen Fehler, den seltsamer Weise die betäubte UFOlogen-Szene gar nicht auffiel: Das "Alien" hier entspricht noch nicht einmal den ufologischen Gerüchten über kleine schmale graue (nicht grüne!) Wesen. Aber innere Widersprüche der scharfen Art werden schnell treudoof übersehen, was nach UFO-Szenen-Beobachter Walter "ein altes Stillmittel dort zum Glaubenserhalt war".

Tatsächlich wurde rund um den Globus das schwarzweiße "Alien-Autopsie"-Filmmaterial auch z.B. Rechtsmedizinern gezeigt, um ihre Meinung einzuholen. Verblüfft waren die CENAP-Mitarbeiter über deren durchgehende Ansicht, die sich so zusammenfassen lässt: Hier wurde wirklich ein Lebewesen rechtsmedizinisch untersucht. Gut, viele sahen da zwar keinen "Außerirdischen" auf dem Operationstisch wie er auseinandergenommen wurde, aber ein verstorbener Mensch mit der genbedingten "Progerie"-Krankheit (frühzeitige Veralterung des menschlichen Körpers als unheilbarer Gendeffekt) wurde hier als Favorit angesehen. Dies war aber auch ein Grund - aus heutiger Sicht -, dass die betroffenen Mediziner rote Ohren bekommen haben. Progerie-Kranke sind sehr selten, sehen anders als da dickbäuchige und aufgeblasen wirkende "Wesen auf dem Autopsietisch" aus und es gab keinerlei wissenschaftliche Aufzeichnungen über einen "fehlenden Progerie-Kranken", der da das unglückliche Opfer für dieses außerirdische Spiel gewesen sein sollte. Wochenlang war die Geschichte jedenfalls Thema, überall auf Erden. Überirdisch genug. Selbst politische Magazine nahmen sich der Sache an womit die Geschichte sich vom Boulevard absetzte, was in der UFO-Historie durchaus eine bemerkenswerte Ausnahme ist.

Ein raffiniertes Puppenspiel stand hinter einem der größten UFO-Bluffs aller Zeiten

"Ich hielt von Anfang an diesen angeblich sensationellen UFO-Beweis für Aliens auf Erden für eine Filminszenierung, für ein raffiniertes Puppenspiel", so Walter. Gleichsam hielt er die breite Akzeptanz dieses sehr fragwürdigen Materials für "unglaublicher als alle UFOs zusammen". Und tatsächlich, nach und nach meldeten sich im Zuge dieses "Erfolges" beteiligte Personen aus dem hier und jetzt, welche eingestanden eine Auftragsproduktion des britischen Videoproduzenten 1994 durchgeführt zu haben. Nicht in Roswell, Amerika, sondern nahe London, England. Schlußendlich platzte der ganz große UFO-Traum als schillernde Seifenblase. Der englische Filmexperte John Humphreys mit Spezialgebiet Filmkreaturen war einst angeheuert worden, um den "Alien" glaubhaft rüberzubringen. Der auf dem Autopsietisch liegende Körper ist eine verfälschte Dummy-Puppe und die entnommenen "Alien-Organe" sind z.B. nichts weiter als Schafshirn in Gelee. Gedreht wurde die Szene in einer zurechtgemachten Privatwohnung in einem Londoner Vorort auf Video und später auf "glaubwürdig"-wirkendes Schwarzweiß-Filmmaterial zurechtgetrimmt. Das ist das ganz große Geheimnis hinter einem der größten UFO-Bluffs aller Zeiten. Und dies hatte drastischen Auswirkungen auf die "ufologische Öffentlichkeit" seither.

Szenen-Beobachter Walter: "Seither ist eine Art kosmische Ernüchterung eingetreten. Selbst eine Hit-TV-Serie mit Kultstatus wie ´Akte X´ brach ein. Die Luft ging eskalierend aus dem Fliegenden Untertassen-Thema und der vermeintlichen Alien-Besuche heraus, wie bei einem lecken Luftballon. Die UFO-Szene brach drastisch ein, UFO-Zeitschriften gingen den Bach runter und für das Verlagswesen sind thematische Bücher nur noch ´Kassengift´." Damit brach ein moderner Großstadtmythos ein, noch eher er 60 Jahre alt werden konnte. Dies brach offenkundig den meisten ehemaligen UFOlogie-Jüngern das Herz, um ihrer ehemaligen Leidenschaft den Rücken zu kehren und fluchtartig die "Grenzwissenschaft" zu verlassen. Gab es vor 10 Jahren vielleicht noch mehrere Zehntausend beherzte UFO-Fans in Deutschland, so verstecken sich "die Restruppen" heute im Internet. "Wenn es da etwas mehr als 100 Alien-Hardcore-Fans sind, dann ist es schon gut. Die sind aber um so verstockter und meistens jenseits von dieser Welt", so der Mannheimer. UFOs und Außerirdische auf Erden - ein Witzthema, auch wenn es Cartoons um die "kleinen grünen Männchen" schon immer gab. Geradezu schwarzer Humor - very british - ist es dann, wenn der "beste UFO-Beweis aller Zeiten" nun in einer ausgerechnet britischen SF-Filmkomödie am 16.November von der Verleihfirma Warner Bros. Pictures in die deutschen Kinos kommt. Regie: Jonny Campbell; mit Götz Otto, Harry Dean Stanton u.a. Gag am Rande: Der Film-Alien wurde von John Humphreys gestaltet - und zwar genauso wie vor einem Jahrzehnt für die angebliche "Weltsensation". Dieses Mal aber in Farbe.

Siehe auch:

Filmausschnitte

http://wwws.warnerbros.de/alienauto...

Filmbesprechung

http://www.moviemaze.de/filme/1618/...

http://www.gwup.org/aktuell/news.ph...

http://www.netzeitung.de/vermischte...

Externe Links

http://wwws.warnerbros.de/alienautopsy/
http://www.moviemaze.de/filme/1618/alien-autopsy.html
http://www.gwup.org/aktuell/news.php?aktion=detail&id=354
http://www.netzeitung.de/vermischtes/393062.html

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