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02.08.2005


    
Verschwörungs-Irrsinn: Jede Menge Klone

´Die Welt´: Immer mehr Verlage gestalten Bücher nach dem Strickmuster von Dan Browns Bestseller ´Sakrileg´

Matthias Heine berichtete in "Die Welt" vom 2.August 05 ( http://www.welt.de/data/2005/08/02/... hochinteressantes:

>Das Wort "abkupfern" entstammt der Sprache des Buchwesens und bedeutete ursprünglich, daß man ein Gemälde oder eine Zeichnung als Kupferstich kopierte und es so im Druck reproduzierbar machte. Die Kupferstichtechnik spielt heute keine Rolle mehr, aber die Freude am Abkupfern ist der Verlagsbranche geblieben. Sehr viele Freunde und Kupferstecher findet immer ein Bestseller, vor allem dann, wenn er sich nicht bloß gut verkauft, sondern ein eigenes neues Genre oder Themenfeld etabliert. Solche Epochenbücher sind ganz offensichtlich "Illuminati" und "Sakrileg" von Dan Brown. An den Erfolg des unterhaltsamen Gemischs aus Verschwörungskrimi, Volkshochschulkurs und etwas Kirchenkritik versuchen derzeit viele Nachahmer anzuknüpfen.

Weil sich vergleichbar gut recherchierte Romane aber selbst im Computerzeitalter nicht in zwei Monaten zusammenkleistern lassen, klont die Konkurrenz einfach Umschlagdesign und Namen der Brown-Bestseller aus dem Lübbe-Verlag und hofft, daß die Leser erst zu Hause den Unterschied merken. Der belletristische Trend 2005 geht zum Roman, dessen Titel nur aus einem lateinisch klingenden Wort besteht und auf dessen Cover rote Schrift auf schwarzem Grund glüht.

Nicht immer gehen die Verlage dabei so schlicht vor wie dtv und Scherz, die gerade die Romane "Furor" von Markus C. Schulte von Drach und "Circe" von Elise Titel (englischer Titel: "Conviction") mit unübersehbar geklontem Dan-Brown-Design veröffentlicht haben. Bei "Furor" ist dann im Zitat auf dem Umschlag auch noch die Rede davon, daß der Held "in die Kathedrale seiner Erinnerungen" eintritt. Das soll den oberflächlich lesenden Käufer wohl davon ablenken, daß es hier keineswegs um Kathedralen, sondern um Hirnforschung und um deutsche Soldaten im Sudan geht. Einen ähnlichen Trick versucht Knaur mit "Ritus" von Markus Heitz, das schon jetzt für den April 2006 angekündigt ist.

Trendsetter im Abkupfergewerbe war Wunderlich: Als der Verlag im Januar 2004 Jilliane Hoffmans Erstling "Retribution" in Deutschland als "Cupido" veröffentlichte, gab es Dan Browns "Illuminati" erst ein Jahr auf Deutsch, "Sakrileg" erschien sogar erst danach - aber ein gewiefter Lektor ahnte wohl schon, daß die lateinische Neutaufe dem Buch nützen würde. Selbstverständlich wird auch Hoffmans Zweitling "Last Witness" in Deutschland bald als "Morpheus" erscheinen. Mit ähnlichen Hintergedanken hat gerade Goldmann Jonathan Kellermans schon 2001 zuerst in blau auf deutsch erschienenen Roman "Monster" gerade noch einmal in einer rötlichen Version veröffentlich, die wohl noch versprengte Brown-Leser locken soll.

Kein Wunder, daß Lübbe das Abkupfern bei seinem Markenzeichen nicht allein der Konkurrenz überlassen will: Die Bergisch-Gladbacher schicken mit Matthew Delaneys "Dämon" und Thomas Giffords "Escudo" selbst noch zwei Bücher ins Rennen, deren Titel und Umschläge in Deutschland der Dan-Brown-Masche angepaßt wurden, obwohl sie inhaltlich nichts mit den beiden Bücher um den Religionssymboliker Robert Langdon zu tun haben.

Einen Nebenerwerbszweig der Dan-Brown-Industrie bilden die vermeintlichen Erklärbücher, die damit werben, die kulturgeschichtlichen und historischen Hintergründe der Brownschen Verschwörungstheorien zu beleuchten. Meist tun sie allerdings nichts anderes, als das, was der Romancier unterhaltsam phantasiert, noch einmal im nahezu gleichen Wortlaut als historische Fakten auszugeben. Das neueste unter diesen Traktätchen ist "Das Sakrileg und die heiligen Frauen" von dem "renommierten Religionswissenschaftler" (Verlagswerbung) und Ufo-Forscher Walter-Jörg Langbein, der Browns Fabel von der Unterdrückung der Wahrheit über Maria Magdalena mit einer pseudo-gelehrten Erzählung noch zu überbieten versucht.

Übertroffen wurde derartige Wissenschafts-Fiktion kürzlich noch von einer "Galileo"-Sondersendung auf Pro Sieben, in der wieder mal die Verschwörungstheorie wiederholt wurde, daß Leonardo DaVinci das Turiner "Grabtuch Christi" gefälscht habe. Dabei ist das Grabtuch seit dem Jahre 1398 urkundlich belegt. 1452, im Geburtsjahr DaVincis, ging es schon als weithin berühmte Kostbarkeit in den Besitz der Herzöge von Savoyen über.

Das Abkupfer-Phänomen wiederholt sich zyklisch: Als Anfang der achtziger Jahre Umberto Ecos "Der Name der Rose" Belletristik-Geschichte machte, wurden die Auslagen der Buchhandlungen bald mit Mittelalterromanen überschwemmt. Übriggeblieben sind bis heute vor allem die Bruder-Cadfael-Romane der Ellis Peters, deren erster 1984 nicht ganz zufällig unter dem Titel "Im Namen der Heiligen" rasch ins Deutsche übersetzt wurde. Auf Englisch hieß er 1977 noch ganz anders, nämlich "A Morbid Taste for Bones".

Ähnliche Wellen, auf denen viele andere mitreiten wollen, lösten "Die Nebel von Avalon" oder "High Fidelity" aus. Erst der Erfolg von Marion Zimmer Bradleys 1983 erstmals übersetztem Artus-Epos sorgte dafür, daß in deutschen Buchhandlungen eigene Regale mit "Fantasy" zur Pflichtausstattung wurden. Die Cover dieses Genres, in dem sich Historie und esoterischer Mystizismus mischen, orientieren sich heute noch immer häufig am alten Vorbild: Wenn er Wallegewänder tragende Frauen in schlechtem Wetter zeigt, ist der Buchgestalter immer auf der sicheren Seite.

Weil sich Bradley den aus der keltischen Mythologie stammenden Begriff Avalon nicht schützen lassen konnte, war allerdings auch schamloseren Methoden des Abkupferns Tür und Tor geöffnet: Romane mit "Avalon" im Titel gibt es von mindestens einem Dutzend verschiedener Autoren, allein der Deutsche Wolfgang Hohlbein hat gleich mehrere geschrieben. Noch schöner sind allerdings die Pseudonyme Claire Avalon und Arthur Avalon, unter denen die jeweiligen Autoren esoterische Ratgeber produzieren.

Nicht ganz so gewaltig, aber doch bis heute nicht abgerissen ist die Kupferkette, die mit "High Fidelity" begann. Der Erfolg von Hornbys Roman aus dem Jahre 1995 begründete das bis dahin noch gar nicht existente Genre "Bücher mit einer Schallplatte auf dem Umschlag". Dessen bekannteste Vertreter sind Frank Goosen mit "Liegen lernen" und Giles Smith mit "Lost in Music". Ganz neu ist Sky Nonhoff mit "Don´t Believe The Hype!" dazu gekommen. Lustig daran ist, daß Schallplatten in der Wirklichkeit fast so selten geworden sind wie Einhörner und Ritter. Sie sind hier also auf ihre reine Zeichenfunktion beschränkt: Der Käufer weiß, daß hier ein nicht ganz junger Mann die eigene Lebensgeschichte launig an seiner Plattensammlung entlang erzählt.

Gegenüber diesen früheren Phänomenen ist das Neuartige am aktuellen deutschen Dan-Brown-Hype allerdings, daß der Lübbe-Verlag auf eine kreative Eigenleistung stolz sein kann: "Illuminati" und "Sakrileg" hießen auf amerikanisch ja "Angels and Demons" beziehungsweise "The Da-Vinci-Code". Den einprägsamen lateinischen Titel und die schwarzroten Umschläge bekamen sie erst hierzulande verpaßt.<

Externe Links

http://www.welt.de/data/2005/08/02/753954.html?s=1)

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