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11.03.2001


    
MIR und UFOs

Update 1

Am 2.März 01 rückte BILD die MIR mit einer fetten Einser-Schlagzeile in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses - und zwar machte man in Panik: Geheimsache im Innenministerium - Stürzt die MIR auf Deutschland? Im Blattinnern gings mit MIR-Alarm weiter. Und im selben Blatt griff man nochetwas Himmlisches am selben Tag auf: Spaziergängerin sah Meteoriten-Einschlag in einem Feld von Hopgrove bei York (England). Eine Zeugin: "Plötzlich hörte ich einen schrecklichen Knall. Ich glaubte schon, mein letztes Stündlein hätte geschlagen." Soviel zu den Himmelbedrohungen durch BILD, am selben Tag, noch ehe ich die BILD selbst las, hatte ich schon wegen dem britischen "Meteoriten-Einschlag" ne Entwarnung im elektronischen Briefkasten - eine BBC-Meldung, wonach der "dampfende Krater" auf die Explosion einer elektrischen Leitung im Erdboden aufgrund eines Kurzschlusses zurückgegangen war. Und fast alle Nachrichtensendungen des Tages gaben auch wegen der BILD-Schlagzeile über den MIR-Crash Entwarnung: Die Gefahr eines Niedergangs auf deutschem Gebiet wurde nahe Null von Raumfahrt-Experten eingeschätzt. Bereits in dem ausrißartig abgedruckten "Geheimpapier" war vom Deutschland-Absturz der MIR dies als der "unwahrscheinlichste Fall" ausgeführt worden, aber so klein abgedruckt, dass dies kaum jemanden aufgefallen sein dürfte - eine fast 17 Zentimeter fette Schlagzeile war damit keineswegs gerechtfertigt. Hier drückte man deutlich auf nur eines: Sensation, um Auflage zu machen. Doch dies ist nicht neu: auch bei früheren (ehemals sowjetischen) Russen-Vorfällen von Re-Entrys gab es immer hochgezogene "Rote Satelliten-Alarme" durch "Katastrophen-Kaminski" aus Bochum um wieder über BILD ins Gespräch zu kommen. Gab es aber durch derartige Objekte UFO-Meldungen, wurde dies ebenso breit als UFO-Flotten-Alarm bekanntgemacht, meistens aber fehlte es dann an der richtigen Aufklärung danach.

Bemerkenswert bei der TV-Nachrichtenberichterstattung, dass den meisten Sendern Filmmaterial fehlte und sie so auf eigene Computeranimationen zurückgriffen, wie so ein Re-Entry wohl aussehen mag - und wenigstens das ZDF hatte in seinen Sendungen reales Re-Entry-Filmmaterial gezeigt, wenn auch nicht die wunderbaren Aufnahmen vom Skylab-Niedergang, sondern verwackelte und offensichtlich aus dem Internet gezogenes (damit schlechtes und gepixeltes, weil vergrößertes) Bildmaterial vom Re-Entry der Apollo 11-Kapsel von 1969. Da schüttelt es einem als Kenner, wenn man diese laienhaft-dilettantische Aufarbeitung sieht und das ZDF-Discovery-Material kennt.

In den letzten Tagen der MIR gab es einige Unsicherheit über das genaue Absturzdatum, die einen russischen Experten sahen den 9.März als gegeben an, andere wieder die darauffolgende Woche um den 20.März herum. Der Verdacht lag nahe, dass die verwaiste Station einfach schon außer Kontrolle geraten war (und dies in Russland niemand zugeben wollte). Weder handelte es sich um ein überschaubares Aufschlagsgebiet, geschweige denn um eine Punktlandung. Geplant war nur den Niedergang irgendwo östlich von Australien und westlich von Südamerika auf einer Fläche von 6000 mal 200 Kilometer zwischen dem 47.und 50.Breitengrad vorzunehmen bzw darüber einzuleiten. Und immer mit der Note: Falls alles gut geht. Anatolij Kirjuschkin aus der Moskauer Flugleitzentrale nannte dies dann: "Das wäre schlicht ideal." Sicherheitshalber hat der MIR-Krisenstab für eventuelle Schäden durch den Absturz $ 200 Millionen bereit gestellt, weil wohl 20 bis 25 Tonnen MIR-Material das Himmelsfeuerwerk überdauern könnten und damit (hoffentlich in den Pazifik) durchschlagen. Beim unkontrollierten Absturz der Saljut-7 schlugen im Februar 1991 Trümmer auf den Territorien von Chile und Argentinien ein. Im November 1996 fielen Reste von Mars-8 auf Bolivien und erneut auf Chile - und genau diese Staaten waren es schließlich auch, die ihre offizielle Besorgnis nun wieder diplomatisch der russischen Politik vorbrachten. Grund haben sie wohl, wenn man jenseits der MIR sieht, welches UFO-Fieber in genau jenen Staaten bereits durch russische Weltraumfahrt-Aktivitäten unvermeidbar über diesen Zonen in den letzten Jahrzehnten hervorgerufen wurde.

Immer wieder nutzten auch Sternwarten bei guten Wetter die Chance um der Bevölkerung einen Blick auf den "hellen Stern" am Himmel erhaschen zu lassen, der Tag für Tag etwas tiefer in die Erdatmosphäre herabkam. Am 6.März wurde bekannt, das neben der amerikanischen Expedition der Firma "Mir Reeentry" (hier rissen sich Dutzende von Wissenschaftlern neben wohlhabenden Touristen um einen Platz in dem Charterflugzeug bei Preisen zwischen 65000 und 10000 Dollar) auch die russische Weltraumagentur Rosawiakosmos eine Expedition in ein Flugzeug stecken würde, um den MIR-Re-Entry im Pazifikraum zu begleiten. Dabei würde der leitende MIR-Stationskonstrukteur Leonid Gorschkow und vier ehemalige und besonders verdiente MIR-Kosmonauten eine besondere Ehre zukommen. Dies klang ja vielversprechend, wenn neben dem US-Unternehmen eine Zusatzmaschine auf Beobachtungstour geht. CNN machte am 7.März eine Art zusätzliche MIR-Panik auf, geradezu wie aus einer SF-Novelle: Sollten Pilze, die sich über mehr als ein Jahrzehnt in der MIR unter Weltraumbedingungen bildeten, beim Niedergang der Station überleben und dann als aggressive Pilz-Mutanten aus dem Kosmos mit irdischem Material in Berührung kommen, könnten sie "Metall, Plastik und Glas auffressen". Ja, ist denn da die "Sternenpest" oder der BLOP unterwegs???

Am 9.März schickte die gleichnamige Nachrichtenagentur dpa um 3:30 h die Meldung "dpa-Gespräch: UFO-Meldestelle befürchtet UFO-Hysterie durch Absturz der MIR in der Kategorie Russland/Raumfahrt/Deutschland durch die Lande und ab 10 h stand bei mir das Telefon nicht mehr still, weil was alle Radiosender der Nation (und sogar die Zeit-im-Bild-Redaktion des ORF für die Frühabendsendung) ein Telefoninterview mit mir wünschten. Darunter auch eine Radio-Nachrichtenagentur, die 15 Minuten lang mit mir quatschte, um daraus einen Beitrag für die Sender anzubieten (dass dies klappte erfuhr ich am nächsten Tag, als Sender, die mit mir nicht gesprochen hatten Beiträge brachten). Einige dieser Interviewwünsche mußte ich auf andere Tage verlegen und sogar TV-Auftritte die erbeten wurden gab ich wegen den anfallenden Drucks an Hansjürgen Köhler ab. Ab 15 h dann meldeten sich Zeitungen, darunter auch die leidliche BILD (dort wurde nun der Übertreibungsfaktor genau einstufbar: aus meinen 2-3 Minuten Re-Entry-Sichtungsdauer wurden dort "20 Minuten" gemacht - trotzdem ich 2 x klipp und klar von 2-3 Minuten sprach; der Umstand dass die Meldestelle nach Rossdorf zur GWUP ´verlegt´ wurde ist dabei eigentlich nur eine Kleinigkeit). In vielen Blättern des Landes (und auch in Österreich) wurde am darauffolgenden Samstag die Meldung an die Leser weitergereicht. Millionen erfuhren so mal wieder von der Mannheimer UFO-Meldestelle und bekamen eine Ahnung davon, welches himmlisches Schauspiel dort zu erwarten ist (wenn das Wetter es zuläßt), wo die gute alte MIR schließlich ihr flammendes Finale erfährt. Bereits am Morgen waren einige UFOlogen und CENAPler im Radio von der Nachricht überrascht worden.


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